Montag, 05.04.2021

Zweifel und Antworten

Zum zweiten Mal feiern wir das Osterfest allein. Alle Kinder haben ihren Besuch abgesagt. Zwei sind in Quarantäne, weil sie Kontakt zu Corona-Infizierten hatten. Eine Tochter findet es zu gefährlich, sich zu treffen, da in unserem Landkreis die Inzidenz sehr hoch ist. Zwei gehören zur Risikogruppe und gehen seit Monaten nirgends mehr hin. Bei allen sind es triftige Gründe – und es ist vernünftig, sich nicht zu treffen. Wir sind nicht die Einzigen, bei denen das Familientreffen ausfällt. Man könnte meinen, wir haben uns inzwischen daran gewöhnt. Dennoch schmerzt es. Um mich herum kämpfen viele auf ihre Art mit der Situation.
Am deutlichsten sagen es die Kinder: „Corona ist doof.“ Sie wollen gerne wieder unbeschwert zusammen spielen. Eine Bekannte ist Single, sie weiß nicht, wie sie die Feiertage ausfüllen soll. Sie ist es müde, alles nur online zu erleben.
Beim Einsatz im Impfzentrum erzählt mir eine alte Dame, die allein lebt, dass sie seit Monaten kaum die Wohnung verlassen hat. Der Impftermin ist das erste Mal, dass sie einen Ausflug macht.
Im Vergleich zu Ostern 2020 haben wir vieles gelernt und gestaltet. Es ist toll, dass es so viele wertvolle Online-Angebote gibt. Gottesdienste, Podcasts und interaktive Aktionen bereichern unseren pandemiegesteuerten Alltag. Wir könnten den ganzen Tag Gottesdienste schauen und Predigten hören. Daneben haben wir gelernt, Brettspiele online zu spielen und Familientreffen per Video zu machen.
Aber ich gestehe: Ich bin müde von all dem. Müde von zu vielen Online-Angeboten. Müde davon, bei jedem Meeting immer auch mein eigenes Bild anzuschauen. Erschöpft von den vielen Diskussionen um den richtigen Weg, das richtige Verhalten, den richtigen Impfstoff.
Zwischen all diesen Themen tauchen Zweifel auf: Was bringen all die Anstrengungen? Wird das Virus weiter mutieren? Wie lange halten wir alle das durch? Und wo ist Gott in all dem? Warum macht er dem Virus kein Ende? Warum handelt er nicht (so wie wir es uns wünschen)?
Mir fallen die Jünger ein, die sich treffen, nachdem Jesus gekreuzigt wurde. Sie wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Jesus auferstanden war. Sie saßen zusammen, nur zu zehnt. Ihr Weltbild war erschüttert. Auch sie hatten eine Vorstellung davon gehabt, was Jesus tun würde. Wie er die Situation in Israel verändern würde. Aber nun waren ihre Erwartungen und Hoffnungen zerschlagen.
Was mögen sie an diesem Abend gedacht und empfunden haben? Ich stelle mir vor, wie sie darüber gesprochen haben, wie es weitergeht. Was sie tun sollen. 
Und dann ist auf einmal Jesus bei ihnen. Der Auferstandene. Der, von dem sie dachten, er sei tot. Mit ihm hatten sie nicht gerechnet, obwohl er es ihnen vorhergesagt hatte: „Der Menschensohn muss den gottlosen Menschen ausgeliefert werden. Sie werden ihn kreuzigen, aber am dritten Tag wird er von den Toten auferstehen“ (Lukas 24,7). Sie sehen ihn und freuen sich über seine Gegenwart. Er sagt: „Friede sei mit euch.“ Und er sendet sie zu den Menschen.
Aber einer fehlt an diesem Abend. Thomas. Als die anderen ihm später davon erzählen, reagiert er skeptisch. Thomas zweifelt die Erzählung der anderen an. „Das kann ich erst dann glauben, wenn ich selbst seine Wunden sehen und berühren kann“, sagt er.
Und Jesus? Beim nächsten Treffen der Jünger geht er auf Thomas zu und sagt: „Leg deinen Finger auf meine durchbohrten Hände und sieh sie dir an! Gib mir deine Hand und leg sie in die Wunde an meiner Seite! Zweifle nicht länger, sondern glaube!“ (Johannes 20,27) Jesus weiß, was Thomas braucht, um zu glauben. Jesus lässt Zweifel zu. Und er hilft Thomas heraus. Jesus lässt Nähe zu. Lässt Berührung zu. Für Thomas die einzige Art, wie er seine Zweifel überwinden kann. Jesus hat ihm geholfen, wieder neu zu glauben und zu vertrauen. Und Thomas verbarrikadierte sich nicht mit seinen Zweifeln und seiner Enttäuschung, sondern blieb in Kontakt mit den anderen. Und dann nahm er Jesu Angebot an.
Zweifel sind nicht grundsätzlich schlecht, sondern menschlich. Die Suche nach der Wahrheit, nach dem unsichtbaren Gott, nach Antworten auf verschiedenste Fragen gehören dazu. Wichtig scheint mir, nicht beim Zweifeln stehen zu bleiben. Meine Fragen zu formulieren und mich auf die Suche nach Antworten zu machen.
Wir haben keinen Anspruch darauf, dass Gott jede unserer Bitten erhört. Aber er hat versprochen, dass er da ist. In jeder Situation.
Ich will meine Fragen, meine Sorgen und alles, was mich bewegt, immer wieder zu Jesus bringen. Dabei weiß ich, dass seine Antworten anders ausfallen können, als ich es mir ausdenke. Jesus gibt uns nicht immer das, was wir uns wünschen, aber er gibt uns das, was wir brauchen. 
Und wir können darauf hoffen, dass wir später vieles besser verstehen werden – so wie damals die Jünger erst im Rückblick verstanden, was wirklich passiert war und welchen Sinn die Ereignisse hatten.

Ellen Nieswiodek-Martin
 

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10 Antworten

  1. Diese Montagsgedanke passt genau rein, auch ich und mein Mann sind Risikopersonen....wir sind seit über ein Jahr zu keine soziale Kontakte zu Menschen gewesen und bleiben auch weiterhin fern bis wir die Impfungen bekommen, so Gott es will und wir leben dürfen. Es ist auch für uns sehr hart und schwierig mit viel Geduld zu warten. Wichtig ist für uns, dass wir auf Jesus glauben und vertrauen und wir sind sehr dankbar dafür.

  2. Liebe Ellen,genauso oder ganz ähnlich erlebe und empfinde ich auch die gegenwärtige Situation.
    Danke für deinen wertvollen Beitrag.
    Bleib mutig und bewahrt!
    Liebe Grüße Heidi...

  3. Über mein Leben entscheidet kein Virus, sondern der große Gott im Himmel. Das bedeutet nicht, dass immer alles gut ausgehen wird, aber es bedeutet, dass ich mich ihm total anvertrauen darf. Egal, was geschieht, dieser Tag, meine Zeit, meine Zukunft und mein Leben liegen in seiner Hand!
    Seitdem ich mir das täglich immer wieder bewusst mache, geht es mir entschieden besser!

  4. Es ist gut und tröstlich zu wissen, dass es sehr vielen ähnlich geht mit diesem pandemiegesteuerten Leben. Danke vielmals für den wertvollen Beitrag, der mich gerade da abholt wo ich stehe und meiner Angst und meinen Zweifeln begegnet. Ich will immer wieder neu darauf vertrauen, dass ER alles in seiner Hand hat und weiß, was er tut.

  5. Auch ich möchte danke sagen für diesen segensreichen Beitrag. Er ist so wohltuend unkompliziert, auch in seiner Sprache. Es fließt einfach und fließt direkt ins Herz. Ein paar Tränen flossen, die aber Erleichterung brachten. Denn genau darum geht es bei mir schon länger. Nicht zu zweifeln sondern zu glauben. Danke Ellen!

  6. Vielen herzlichen Dank für die wunderbaren tröstlichen Gedanken. Ich meine, wenn wir zufrieden sein können (auch trotz allem, was nicht gut läuft und wo wir an irgendeinem Mangel leiden) und unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen können, ist das das Beste was uns passieren kann.

  7. Wir haben Ostern gefeiert. Jesus ist auferstanden und hat uns ewiges Leben geschenkt. Wir wissen aus der Offenbarung, welche Ereignisse seiner Wiederkunft vorausgesagt sind. Als Christen sollten wir uns bereit machen! Den Menschen seine Botschaft bringen, keine Angst haben und da sein für andere. - alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wir sind zur Freiheit befreit!

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