Montag. Der erste Tag nach dem Urlaub. Zögerlich steige ich hinein in diese neue Woche. Möchte noch nicht loslassen, was gewesen ist. Zu gut war das Durchbrechen der gewohnten Tagesordnung, mancher Strukturen, die mich und uns fremdbestimmt halten wollen. Zu kostbar, die gemeinsame Familienzeit. Wir hatten uns. Und so viel Zeit. So schön, die Natur, in die wir in den vergangenen Tagen eintauchen durften. Dort oben, auf dem Berg, auf über zweitausend Metern, habe ich so viel Schönheit gesehen. Da konnte ich Gott erfahren, ihm begegnen.
Heute Morgen ist die Karawane nun wieder satt und angemessen gekleidet losgezogen. Zur Schule, ins Büro. Plötzlich ist es still und leer. Das Haus und der Kühlschrank. Und mein Alltag beginnt erneut. Der Alltag, an dem ich manchmal zweifle. Der mir in seiner Routine oft den Atem und die Lust nimmt. Der mich langweilt und ermüdet, weil hier die großen Gelegenheiten fehlen. Die Glücksmomente. Die intensiven Gipfelmomente. Die Gottesbegegnung im alltäglichen Leben.
Doch es ist der Alltag, den ich mir genauso immer gewünscht habe. Für den ich mich damals entschieden habe. Hier, genau hier, findet mein Leben statt. Jetzt.
Ich möchte treu sein. Treu sein im Alltag. Treu sein in der Routine. Offen und achtsam sein für das Andere, das mir hier begegnen kann. Denn hier, in der Normalität, kann etwas geschehen, das mich neu hören und sehen lässt. Mich zum Staunen bringt. Hier, mitten in den alltäglichen Handlungen kommt Gott zu Wort.
So könnte es passieren, dass mir beim Staubsaugen eine Freundin einfällt und ich denke, dass es vielleicht gut wäre, mich wieder einmal bei ihr zu melden. Dann möchte ich das auch tun. Vielleicht höre ich, dass es ihr im Moment nicht gut geht. Wir reden und zum Schluss sagt sie: ,Danke. Das hat so gutgetan.“
Oder unterwegs beim Morgenlauf, zu dem ich mich mühsam überwunden habe, kommt mir plötzlich eine Idee, und ich weiß auf einmal die Lösung für ein Problem.
Oder ich koche meinen Spezialauflauf und irgendwie kommt mir der Gedanke, heute mal die doppelte Menge zu machen, um sie dann den Nachbarn vor die Tür zu stellen. Und erfahre später, dass der Tag bei ihnen so vollgestopft war, dass sie froh waren, nicht kochen zu müssen. Dass sie so dankbar waren für dreißig Minuten geschenkte Zeit.
Den Alltag nicht geringschätzen. Ihn nicht verraten, indem ich auf etwas anderes warte. Auf etwas Besseres, Größeres. Es geht um meine Treue zum Alltag. Darum, immer wieder Ja zu der Normalität zu sagen. Treu zu sein. Neugierig zu sein. Ganz offen und achtsam hinzuhören und hinzuschauen, wo Gott sich in meinem Leben Bahn bricht.
6 Antworten
Vielen Dank für ihre Gedanken zu einem Thema, das uns alle betrifft. Eine Freundin, die leider keine Kinder hat und somit nun mit Mitte 50 schon ein sehr langes Berufsleben - sie arbeitet im Büro, beklagte einmal, das es ihr manchmal vorkommt wie im Gefängnis. Die Akten von A nach B abarbeiten. Leider ist der Alltag oft grau und träge, man kann nicht immer Gipfelerlebnisse erwarten. Umso wertvoller dann, wenn diese sich einstellen, oft ganz unerwartet. Dafür dann dankbar sein und sie innerlich bewahren, das hilft!! Oder (und das sage ich mit einem Augenzwinkern) mal kurz zwischendurch ein schönes Lied hören oder der Blick nach draußen oder manchmal braucht's auch einfach ein Stück Schokolade:-)
Danke Irene Röttger für Ihren ehrlichen "Montagsgedanken". Er spricht mir aus der Seele. Es tut so gut Ihren Text zu lesen. Ja, wie schnell kann man den Alltag geringschätzen.
Ich möchte jeden Tag dankbar aus Gottes Hand annehmen, denn es ist ein Geschenk, im Alltag, auch wenn er noch so "Öde" sein kann, GOTTES Treue zu erfahren.
Wunderbare Worte. Danke, dass Sie mich daran erinnert haben, wie wertvoll der Alltag ist.
diese beschriebene Zeit mit Haushalt und Kindern liegt nun hinter mir. Das waren anstrengende, herausfordende und manchmal auch langweilige Tage, auf jeden Fall waren es Tage, an und in denen Geschichte geschrieben wurde, nicht nur die meiner Familie, sondern für viele, mit denen wir eben diesen Alltag geteilt haben. Eine ganz besondere und kostbare Zeit. Die Freiheit selbst zu gestalten und die Möglichkeit Gottes Großzügigkeit im normalen Leben sichtbar zu machen, ist ein großes Previleg des Mutterseins. Hierdurch gestalten wir nicht nur unseren Alltag, sondern prägen eine neue Generation.
Nach 30 Jahren bin ich nun in meinen Beruf als Krankenschwester zurückgekehrt ;mit viel Respekt vor Leben und Tod; und gleichzeitig lebensfroh und selbstbewusst, denn in der Vergangenheit habe ich vielfach erlebt, dass Jesus in allem zur Seite steht.
Christa Wiesemann
DAS ist ein toller Text !!! DANKE fürs Teilen... JA auf diese Zeit kommt es an !! ich bin SEHR berührt von Ihren wunderbaren Gedanken !!!
GANZ lieben Dank dafür !!
Ulrike
Diesen Text lese ich nun schon zum wiederholten Male. Er ist so eine wertvolle Erinnerung daran, den Goldschimmer in unserem Leben zu sehen - und offen zu sein für Gottes Möglichkeiten.
Danke!