Montag, 14.01.2019

Mitfühlen, ohne zu interpretieren

Meine Brüder sind trügerisch wie ein Bach, wie das Bett der Bäche, die versickern. (Hiob 6,15).

Hiobs Freunde hören von seinem Leid und wollen ihn trösten. Sie lassen ihre eigenen Angelegenheiten liegen, um ihrem Freund beizustehen. Weil sie spüren, dass sein Leid zu groß ist für Worte, sitzen sie schweigend zusammen. Sieben Tage und sieben Nächte lang. Aber als Hiob zu sprechen beginnt, können sie nicht mehr schweigen. Bildad vermutet, Hiob habe Gott vergessen oder sei ihm untreu geworden. Elifas erklärt, dass Gott Hiob durch Leid erziehen will. Zofar weist ihn auf Gottes Allmacht hin und fordert Hiob auf, sein Herz in Ordnung zu bringen.
Alle drei wollen das Leid analysieren und kommen zu dem Urteil, dass Hiobs Situation die Folge von falschem Verhalten, von Sünde sein muss.
Es entspricht unserer menschlichen Natur, nach Gründen zu suchen. Wir wollen verstehen. Kinder haben eine Phase, in der sie am Tag gefühlte hundertmal „Warum?“ fragen.
Hiobs Freunde können seine Klagen nicht ertragen. Also breiten sie die einzige Erklärung, die sie für sein Leid finden, vor Hiob aus. Mit ihrer Einschätzung haben sie Hiob allerdings nicht geholfen, sondern alles noch schlimmer gemacht.
Menschliche Versuche, Gottes Handeln zu interpretieren, basieren auf unserem begrenzten Erfahrungshorizont. So sehr wir es uns wünschen, wir können Gottes Handeln nicht erklären. Gott hat Hiobs Freunde später getadelt: „Mein Zorn ist entbrannt über dich und über deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob“, sagt er zu Elifas (Hiob 42,7). Manchmal meine ich, genau zu wissen, was ein anderer falsch gemacht hat und in seinem Leben verändern sollte. Aber das ist nur meine menschliche Einschätzung. Ich kann nicht beurteilen, wie Gott bei anderen handelt oder eben nicht handelt.
Als Freundin anderen beizustehen und einfach da zu sein – ohne Bewertung, Ratschläge und gutgemeinte Interpretationen –, darin möchte ich besser werden. Nicht nach dem Warum fragen, keine Erklärungen suchen, sondern da sein. Mitleiden. Mitfühlen. Beten. Und wenn es geht, praktische Hilfe leisten.

Ellen Nieswiodek-Martin

Aus: Frauen begegnen Gott – Die Weisheitsbücher des Alten Testaments mit Andachten für ein ganzes Jahr. Herausgegeben von Elisabeth Mittelstädt.

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6 Antworten

  1. Zu den heutigen Gedanken habe ich eine Frage.
    Wie verhalte ich mich, wenn in der Gruppe dann empfohlen wird, mach doch mal dies oder mach mal jenes ?
    Ich meine, dass ich anderen nur sagen kann: ich würde es so und so machen.

    Herzliche Grüße

  2. Ein sehr guter Impuls.Ich bin auch schnell mit Ratschlägen dabei,,oft ist mir genau das auch vorgeworfen worden.Letztens sogar von meiner Familie.Es stimmt zuhören,mitfühlen und beten ist oft hilfreicher.Ich selber möchte ja auch oft nur ein offenes Ohr.Also genau der Text füe mich.Ich möchte lernen mehr der Zuhörer zu sein.Im Wort Ratschlag steckt das Wort Schlagen,also erschlagen will niemand werden.

  3. Vielleicht sollte man erst Ratschläge geben, wenn man danach gefragt wird.
    Ich mag es auch nicht, wenn ich mit Ratschlägen und Belehrungen bombardiert werde.

  4. Ich habe gerade heute diese Worte gebraucht. Es geht mir zur Zeit nicht so gut und ich will Gott vertrauen und glauben das ich nicht unbedingt schuldig bin.

  5. Das stimmt wirklich. Es ist manchmal einfach nur wichtig das man anwesend ist. Es gibt nicht immer Worte für alles. Wie oft sitzt man da und spürt Schmerz über Dinge die geschehen, aber nicht geändert werden können. Und dann vergeht Zeit und man merkt das man trotzdem gestärkt da raus gegangen ist. Einfach weil jemand da war. Danke für alle die mitfühlen und stützen, auch ohne Ratschläge.

  6. Hab jetzt erst diese Montagsgedanken gelesen.....
    Meine Einstellung schon seit Langem:Werde ich gefragt,-gebe ich eine Antwort(kein Ratschlag) - werde ich nicht gefragt,brauche ich nicht antworten...ich höre nur zu - damit respektiere ich mein Gegenüber - .

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