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Montag, 16.12.2019

Die Dame in Eisblau

Wir machen einen Kurzurlaub in Bonn. Es ist ein stiller Morgen und wir verlassen unser Hotel, um eines der vielen Museen der Stadt aufzusuchen. Mein Mann ist mir zwei Schritte voraus, während ich noch gedankenverloren damit beschäftigt bin, im Gehen den Reißverschluss meiner Jacke zu schließen. Da steht sie plötzlich vor uns auf dem Gehweg: eine Dame, groß und schlank in einem gepflegten, eisblauen Mantel. Ihr Gesicht zeigt deutliche Spuren eines langen Lebens, sie könnte hoch in den Siebzigern oder noch älter sein. Sie schaut uns offen ins Gesicht. Dann hebt sie wie ein Dirigent beide Arme in die Höhe. Ihre weiten Mantelärmel wehen, während sie deutlich und feierlich-fröhlich verkündet: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!“ Dazu schenkt sie uns ein strahlendes, sehr liebenswertes Lächeln.
Wir stehen verdutzt da, wegen der erstaunlichen Freundlichkeit einer fremden Frau. Ehe wir „Danke“ sagen können, geht sie schon ihres Weges und wir hören sie noch munter sagen: „Das kann man immer gebrauchen!“ Es spricht eine menschenfreundliche Heiterkeit aus ihr, die uns staunen und auch nachdenklich werden lässt. Wir fühlen uns beschenkt und sind erfreut. Und das nur wegen eines einzigen Satzes, der uns persönlich zugesprochen wurde!
Während ich zuvor noch müde meinem Mann hinterhertappte und mit dem Reißverschluss beschäftigt war, bin ich jetzt völlig wach. War es die berühmte rheinische Frohnatur, von der wir beiden sturen Westfalen gerade charmant überrumpelt wurden?
Warum ist die Lady so gut drauf? Einem anderen Gutes zusprechen, das könnten wir ja eigentlich alle. Aber wir tun es nicht. Vielleicht werden wir im Alter weiser und mutiger? Ob die Dame mit dem eisblauen Mantel nach dem Motto lebt, das mir mal jemand ins Poesiealbum schrieb? Das lautete so:
„Ich werde nur einmal durch dieses Leben gehen.
Wenn ich also irgendeinem Mitmenschen
irgendeine Freundlichkeit oder etwas Gutes erweisen kann,
dann will ich es gleich tun.
Ich will es weder verschieben noch vernachlässigen,
denn ich werde dieses Weges nie wieder kommen.“

Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns die Dame nicht mehr treffen wird. Ihre heutige Chance hat sie aber prächtig genutzt! Sie hat uns mit Gutem und Freundlichkeit beschenkt. Und ich merkte, dass auch ihr eigenes Herz einen kleinen Fröhlichkeitshüpfer machte, als sie unsere strahlenden Gesichter sah und wusste: Diese Überraschung ist mir gelungen!
Ihr Zuspruch wird mir in Erinnerung bleiben. Ihr Verhalten ist mir ein Vorbild. Es erinnert mich an Gottes Menschenfreundlichkeit, denn Gott denkt Gutes über uns und spricht es uns zu:
„Meine Gedanken über dich ändern sich nicht;
es sind Gedanken des Friedens und nicht des Leides.
Ich will dir Zukunft und Hoffnung geben“
(nach Jeremia 29,11).
Wir dürfen „gut drauf“ sein, weil wir Zuspruch und Segen von Gott erhalten. Den dürfen wir weitergeben – mit menschenfreundlicher rheinischer, westfälischer oder anderer Heiterkeit!

Christine Schlagner

"Danke" an die Autorin

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7 Antworten

  1. 1962 haben wir des öfteren erlebt, das man uns beim Spaziergang sagte " ein schönes Paar ". Wir waren damals 19 und 20 Jahre jung und erinnern uns noch heute voller Freude an diese Worte und geben seitdem auch gerne ein paar nette Worte beim Vorüb ergehen an andere Menschen weiter.

  2. Herzlichen Dank für diese Worte. Ich habe ähnliches erlebt, als mich vor Jahren eines Morgens, als ich zutiefst entmutigt, kraftlos und niedergeschlagen aus einem Bäckerladen kam, nicht wissend, wie ich den Tag durchstehen sollte, eine Dame im Vorbeihuschen anstrahlte und sagte: Sie sind einkostbarer Schatz, wissen sie das? (oder so ähnlich - es ging so schnell, dass ich nicht mehr genau weiß, was sie sagte), dann huschte sie weiter. Ich drehte mich völlig verdutzt nach ihr um, um zu sehen, ob ich sie kenne - sie drehte sich ebenfalls um - lachte und sagte: Ja, Sie habe ich gemeint. Dann eilte sie davon. Ich kannte sie nicht und würde sie auch nicht wiedererkennen. Ich war völlig überrascht - Aber es war, als wäre ich Jesus begegnet - nein, ich glaube, ich bin IHM in dieser Dame begegnet, denn es gab mir Mut und Kraft - zuerst aber trieb es mir Tränen der Dankbarkeit in die Augen.

  3. Dies ist wirklich ein wunderschönes Erlebnis und ermutigt dazu, es ebenso zu tun. DANKE für diesen Bericht und Gesegnete Weihnachten für Christine Schlagner und ihre Familie.

  4. Wir hatten unser drittes Kind erst vor paar Wochen willkommen heißen können und waren noch dabei uns als Familie zu fünft zurecht zu finden, als wir mit unseren drei Kleinkindern (3 und 1 und Newborn) ins Geschäft wagten... Mir war meine Unsicherheit vielleicht abzulesen, hoffentlich machen die zwei großen gut mit und das Baby schläft solange wir im Laden sind... Da kam dann auch ein älterer Mann vorbei und meinte zu meinem Mann: Eine tolle Familie aber kein Wunder, bei einer tollen Frau... Mich hat das in diesem Moment auch sehr gefreut....

    Als ich mal viel jünger war, noch keine 16, machte ich ein Praktikum und musste viele Botengänge machen... Da kam ich an einem Werbestand vorbei, wo einige Mitarbeiter des Unternehmen grüßen, ich grüßte herzlich und mit einem Lächeln zurück... Als ich an dem stand zurück kam, kam ein Mann auf mich zu und meinte, ich wäre djr erste gewesen, die freundlich zurück gegrüßt hätte... Das hatte MI h sehr verwundert... Ich nahm mir vor immer freundlich zu grüßen aber muss nach so vielen Jahren feststellen, dass Menschen Furcht mich oft davon zurück hält offen und herzlich zu sein...

  5. Ich bin in Hessen und in Nord-Rhein-Westfalen groß geworden und hab von dieser Frohnatur-Gesellschaft + dem Erbe das einfach in mir steckt auch so eine offene Art auf jeden Menschen zu zu gehen. Bei mir geht es bei Kontakten über das freundliche Grüßen hinaus: Seid ein paar Jahren erzähle ich mutiger von meinem Glauben an Jesus Christus und habe eine natürliche, persönliche Art gefunden, die es mir möglich macht auch mal in einem kurzen Alltagsgespräch den Blick auf Gott zu wenden ohne aufdringlich zu sein. Das fällt mir natürlich um so leichter wenn ich mich in der Beziehung zu Jesus im Reinen weiß. Ich warte nicht mehr so lange zu wie früher um auch über meinen Glauben zu sprechen, denn in unserer schnell lebigen Zeit weiß man nicht wann sich die nächste Gelegenheit bietet wieder diesem einen Menschen zu begegnen und an Gespräche an zu knüpfen.
    Seid 2 Jahren habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht im Mengenrabatt das kleine Heft „Warum eigentlich Weihnachten“ von Nicky Gumbel zu kaufen und mit Mut an Viele die mir vor Weihnachten über den Weg laufen, zu verteilen. Vom Schornsteinfeger, Musiklehrer, die Eltern beim Kinderturnen, die Mutter eines Schulfreundes, Handwerker, DHL Bote, ... bis zur Klassenlehrerin. Der Autor beschreibt (in einer halben Stunde lesbar) prägnant den Sinn von Weihnachten und was das mit mir selber zu tun hat.
    Dieses freundliche, fröhliche Miteinander sollte Vorbildhaft von uns Christen kommen- wir dürfen uns täglich darin üben etwas von dem „Licht dieser Welt dass das Dunkle dieser Welt erhellt“ weiter zu geben. Gottes Segen allen dazu. Ich übe mich auch darin. Gesegnete Weihnachten Ihnen allen!

  6. Es macht einen glücklich wenn man gegenüber seinen Mitmenschen freundlich und aufmerksam ist. Leider hat man oft den Eindruck dass unsere Gesellschaft "erkaltet". Ein Gruß wird nicht erwiedert selbst in der Nachbarschaft. Jetzt gibt es zwei Arten damit umzugehen - entweder man lässt es selbst beim nächsten Mal oder man bleibt sich treu und versucht es immer wieder. Manchmal gelingt es und manchmal nicht. Viele sind heute sehr auf sich selbst und ihr Smartphone fixiert. Das Miteinander ist meiner Ansicht nach schwieriger geworden, vielleicht auch nur in der Großstadt.

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