Montag, 07.09.2020

Neues im Alten

Eines kühlen, sonnigen Tages im September fuhr ich mit dem Fahrrad von Petronell nach Rohrau und zurück. Petronell ist ein 800-Seelen-Dorf in Niederösterreich und Rohrau ist noch kleiner. Ich fahre diese Strecke immer wieder gern, einfach zur Entspannung. Den ganzen breiten Feldweg entlang gibt es fast nichts zu sehen, wenn man Folgendes „nichts“ nennen darf: ein altes verlassenes Bauernhaus; ein Bewässerungskanal voller Schilf; Fasane und Hasen, die man aufschreckt, wenn man ihnen zu nahe kommt; Hagebuttensträucher, die mit ihren roten Beeren im Winter die Landschaft etwas bunter machen, und sanft geneigte Felder, so weit das Auge reicht.
Es war Abend, und ich war auf der Straße zwischen dem alten Haus und dem Kanal unterwegs. Plötzlich musste ich stehen bleiben. Knapp über dem Horizont, leuchtend in rosa und orange, flimmerte ein Meer von Wolken, durchdrungen und erhellt von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. An manchen Stellen war es so hell, dass ich kaum hinschauen konnte. Weiter oben, wo das Rosa sich allmählich in das sanfte Hellblau des Abendhimmels verlor, prangten drei dicke Wolken: dunkelblau, mit einem hellrosa Saum, weil das Licht sie von unten anstrahlte. Etwas an ihrer Gestalt und ihren schwungvollen Linien erinnerte mich an Wale, die verspielt aus dem Wasser springen. Weiter rechts sah ich gischtartige Wolken: rosa und weiß und orange und gold-gelb türmten sie sich auf und tosten wie Wellen, die stürmisch und ungestüm auf das Land krachten. Der „Strand“, auf den sie prallten, war ein weiter, breiter, dunkelblauer Wolkenstreifen, der tief und gerade über dem Horizont schwebte.
Als ich dastand und dies alles bestaunte, fing ich an zu singen. Alle möglichen christlichen Lieder, die ich kannte, strömten aus mir heraus. Ich blieb sehr lange dort, bis das Rot nur mehr in einer Ecke des westlichen Himmels sichtbar war. Dann setzte ich mich auf mein Fahrrad, denn ich hatte das Gefühl, dass es Zeit war zu gehen; Zeit, um mich wieder in Bewegung zu setzen. Als ich fuhr, sang ich weiter. Da kam mir etwas in den Sinn:
Preist Gott, von dem der Segen kommt.
Preist ihn, was hier auf Erden lebt.
Preist ihn heut‘, ihr Himmelswesen.
Preist Vater, Sohn und Heiligen Geist!
Halleluja! Halleluja!
Es war ein Lied aus einem früheren Jahrhundert, mit einer Melodie, die mir gerade in diesem Moment einfiel. Schwungvoll, stark und bewegt. Wie der Sonnenuntergang und auch wie die kraftvolle Bewegung, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, in die Pedale zu treten, bergauf und bergab zu fahren: Halleluja! Halleluja! Halleluja! Halleluja!
Ich sang und sang und ließ mich von der immer tiefer werdenden Dunkelheit nicht abhalten. Lautstark und voller Freude sang ich, als ich weiter und weiter über die Felder fuhr, bis nach Hause. Was für einen großen Schatz an christlichem Liedgut wir haben! Ich bin so dankbar, in alten Texten immer wieder frischen Segen zu entdecken.

Kara Ziehl

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6 Antworten

  1. Da kann ich nur ganzen Herzens mit einstimmen...
    "denn wer die Musik sein Eigen nicht nennet,
    sicher die Freuden des Himmels nicht kennt;
    dem dringt kein Lichtstrahl in all seine Plage,
    der bleibet ein Narr bis ans Ende der Tage..."
    Natürlich gibt es noch andere Weisen, Gott zu loben, aber auch ich bin immer wieder dankbar für unser kostbares Liedgut!

  2. Das passt auch zu mir gut mit eBike viel zu fahren.
    Wir. mein Mann und ich sind seit 22.8. hier in NL in der Provinz Oberijssel auf dem Camping `t Kappie mit Wohnwagen im Urlaub um die Ruhe zu entspannen´. Da uns in der Corona Virus Zeit zu Hause die Decke auf dem Kopf gefallen war. Tut es uns wirklich gut in der wunderschönen Naturlandschaft auszuharren, was Gottes Schöpfung gemacht hat.

  3. In Sachsen gab es dieses Himmelsschauspiel vorige Woche auch an einem Abend. Man kann garnicht anders als zu loben und zu preisen.Mir kam der Gedanke, dass es in der Ewigkeit wohl auch sooooo schön ist, dass man "von allein" zu singen beginnt und nicht aufhört!!

  4. Amen! Danke für die Erinnerung an Gottes Schönheit!
    @Moni: Ja, ich vermute auch, dass es so ähnlich sein wird mit dem Lobpreis, der nie aufhören wird. : )

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