Wir haben Urlaub und besuchen den Gottesdienst einer Gemeinde vor Ort. Ich entdecke das Hausmeisterehepaar. Die Dame schenkt uns ein offenes Lächeln und ein freundliches „Willkommen!“ Ihr Mann stellt das Mikrofon an. Beide sind adrett sonntäglich gekleidet, das ist hübsch. Und sie strahlen Ruhe aus, das ist angenehm.
Als wir den zweiten Sonntag in Folge in dieser Gemeinde Platz nehmen, schweift mein Blick über den braunen Nadelfilzboden, der im Gottesdienstraum verlegt ist. Da sehe ich plötzlich, unweit von mir, ein Paar graue Herren-Filzpantoffeln auf dem Teppich. Dieses Bild meldet sofort „Wohlgefühl“ in meinem Kopf. Aber es passt doch nicht in einen öffentlichen Gottesdienst, oder?
Mein Blick saust blitzschnell von den hübschen Tretern hinauf an Hosenbeinen und Hemd und – siehe da: der Hausmeister! Da hat er wohl vergessen, seine Puschen gegen die Ausgehschuhe zu tauschen. Ich hatte die Hausmeisterin in der letzten Woche die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufflitzen sehen, das Ehepaar wohnt also mit der Gemeinde unter einem Dach. Sie wohnen sozusagen „im Haus des Herrn“, wie es so schön in alter Bibelsprache heißt.
Ich bemerke ein breites Grinsen in meiner Seele, denn sie hat gerade ein putziges Bild für einen Vers aus Psalm 27 erhalten: „Eines habe ich vom Herrn erbeten, das ist mein tiefster Wunsch: alle Tage meines Lebens im Haus des Herrn zu wohnen, um die Freundlichkeit des Herrn zu sehen und über ihn nachzudenken“ (Psalm 27,4).
Die nonverbale Predigt der Filzpuschen, die mich schmunzeln ließ, ist in der ganzen darauffolgenden Woche mein gedanklicher Begleiter und stellt mir einige Fragen:
- Fühle ich mich in Gottes Nähe wohl und zu Hause? Bin ich gerade bewusst auf Abstand zu ihm oder habe ich einfach vergessen, ihn aufzusuchen?
- Ist es – auch nach vielen Jahren als Christin – immer noch mein Herzenswunsch, in seiner Nähe zu bleiben, bei ihm zu wohnen?
- Wie wirkt sich mein zunehmendes Lebensalter und die damit einhergehenden Veränderungen auf mein Sein mit Gott aus? Verändert sich da etwas?
- Hat die Pandemie mit Einschränkungen des Kirchen- und Gemeindelebens mit mir und meinem Verhältnis zu Gott etwas gemacht? Wenn ja, was?
- Wie wirken sich meine unbeantworteten Fragen bezüglich des Krieges und Leides in meiner Seele und in meiner Beziehung zu Gott aus?
- Werde ich bei meinen persönlichen Glaubensüberzeugungen als Christin bleiben, auch wenn vieles um mich herum, was vormals gesellschaftliche Überzeugung und Konsens war, zu wackeln beginnt oder sich ändert? Bewirken diese Veränderungen etwas in meiner Beziehung zu Gott?
- Ist „im Haus des Herrn wohnen“ eine weltfremde Flucht in fromm-verstaubte Gedankengebäude oder kann meine tiefe Beziehung zu Gott meine mentale Gesundheit und Resilienz stärken? Mir dazu verhelfen, mich zugewandt und aktiv agierend in meinem Leben zu erfahren?
Ja, ich will bleiben! Dringend bei meinem Gott zu Hause bleiben! Weil er mich vorbehaltlos liebt und sich auch von meinen Fragen, Zweifeln und Schwächen nicht abhalten lässt, mich immer weiter zu lieben. Ich wünsche mir, „im Haus des Herrn“ zu wohnen und seine Freundlichkeit zu erleben.
8 Antworten
Liebe Christine,
"Im Haus des Herrn sein", war für mich und meine Familie für viele Jahre ein großer Segen.....
Das habe ich noch gut in Erinnerung, noch schnell ins Sonntagskleid schlüpfen und die guten Schuhe anziehen.
Danke für Deinen Beitrag.
Im Haus des Herrn sein, Jesus zu Füssen sitzen. Seine Botschaft hören, ihm alles sagen können. Den ganzen lieben Tag. Das ist schön und das möchte ich nie wieder missen.
Danke für den Beitrag und seien Sie alle Gott befohlen.
Aus meiner ursprünglichen Familie kenne ich die als "Schlappen "
Danke, für die Fragen, die Sie sich gestellt haben.
Ich möchte sie gerne zu meinen Fragen machen.
Gerade steht in unserer Familie erneut ein Umzug an. Nach vielen "verschlossenen Türen" bin ich heute ein bisschen resigniert. Werden wir etwas finden, das zu uns passt? Rechtzeitig? Die Ungewissheit macht mich heimatlos und fahrig. Psalm 27 bedeutet mir sehr viel. Er ist "mein" Psalm. Danke für diesen Text und die Erinnerung daran, dass es nur auf EIN Zuhause wirklich ankommt - auf das bei meinem Vater im Himmel.
Neulich hatte ich einen Blumenstrauß für den Gottesdienst gemacht.
Danach holte ich ihn wieder ab.
Die Kirche war nun leer - nein doch nicht!
Es war wie ein himmlisches Wehen um mich.
Ein schönes Erlebnis.
Einst werden wir ganz bei unserm himmlischen Vater zuhause sein...ohne Zweifel und Ängste.
Darauf freue ich mich.
Danke für den lieben Beitrag!
Ihr heutiger Zuspruch hat mir gut getan. Danke. „Fürchte dich nicht“ soll zu meinem Lebensmotto werden!
Ich freue mich über die Montagsgedanken von Lydia. Auch wenn ich es manchmal noch nicht geschafft habe die neuste Lydia zu besorgen, sind diese Gedanken immer wieder sehr gute . Inspiration Danke und gesegnete Weihnachtstage allen Autorinnen, Leserinnen und ihrem Team