Meine Silikonbrüste und ich

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Es ist nicht leicht, darüber zu sprechen, wenn man nach einer Krebserkrankung Silikonimplantate bekommt. Doch ich vermute, dass ich mit meiner Not nicht allein bin. Meine neuen Brüste und ich – wir sind noch keine besten Freundinnen geworden!

Meine Versuche, mit der Ärztin, die mich operiert hat, über meinen Kummer zu sprechen, wurden jedes Mal mit den Worten abgewürgt: „Frau Varga, andere Frauen wären dankbar!“ Deshalb eine Anmerkung ganz zu Anfang: Ich bin dankbar! Ich bin sehr dankbar für die Bewahrung, die ich erlebt habe. Ich weiß, dass andere Frauen gerne mit mir tauschen würden, aber das macht meine persönlichen Herausforderungen nicht kleiner.

Vor etwa vier Jahren wurde bei einer meiner Schwestern Brustkrebs diagnostiziert. Nach einer Vielzahl von Besprechungen und Untersuchungen legte ihr Frauenarzt ihr die Entfernung und den anschließenden Wiederaufbau beider Brüste nahe. Außerdem sollten sich auch die anderen drei Schwestern auf das sogenannte Krebs-Gen hin untersuchen lassen. Unwissend, wie ich war, ließ ich einen genetischen Bluttest machen. Dieser bestätigte die Genmutation. Jetzt wurde auch ich mit der Frage nach einer Brustentfernung konfrontiert. Ich bin gerade Anfang fünfzig. Ich gebe zu, ich habe viele Jahre mit meinem Körper gehadert. Die Füße sind zu groß und zu platt, die Schienbeine zu o-förmig, die Oberschenkel zu füllig, die Hüften auch. Der eigentlich flache Bauch durch eine Narbe verunschönt.

Meine Brüste aber, die haben mir immer gut gefallen. Nicht zu klein und, wie ich jetzt weiß, tropfenförmig, und obwohl ich meine vier Kinder gestillt habe, waren sie wohlgeformt. Ich mochte sie.

Schwierige Entscheidung

Ich ließ mich beraten. Die Mastektomie, so das Fachwort, sollte vorsorglich erfolgen, mit sofortigem Wiederaufbau der Brüste. Ein größerer Eingriff, aber Routine. Zuerst würde das Brustgewebe entfernt, dann ein Netz eingelegt und dahinein würden die Implantate gelegt werden. Meine Brüste seien für Implantate optimal. Die Narbe würde in der Hautfalte unter den Brüsten verlaufen und kaum zu sehen sein. Welche Körbchengröße ich gerne hätte? Ich war völlig überrumpelt. Ich wollte sie genauso, wie sie waren. Nun, das würde natürlich nicht gehen, aber sie würden versuchen, die ursprüngliche Form weitestgehend zu erhalten. Etwas größer wäre für dieses Vorhaben von Vorteil.

Die Ärztin war mir sympathisch und schien sich auszukennen. Also sagte ich: „Ich vertraue Ihnen. Ich überlasse das Ihrer Erfahrung.“ Es folgten Fotos, noch einige andere Untersuchungen, und der OP-Termin wurde festgesetzt.

Das Thema "Implantate" war mir fremd. Ich begann mich im Internet zu informieren und die Frauen zu fragen, von denen ich wusste, dass sie eine Brustoperation hinter sich hatten. Ihre Antworten waren unterschiedlich: „Ich spüre sie kaum.“ „Sie sind wie ein Fremdkörper.“ „Sie sind kalt.“ „Sie sind richtig schön.“ „Ich kann jeden Sport machen.“ „Ich habe immer Schmerzen.“ Manches davon entmutigte mich. Aber ich konnte mir wenig darunter vorstellen. Ich beschäftigte mich auch mit der Frage nach Eigengewebe. Das bedeutet, dass statt eines Silikonimplantats Muskel- und/oder Fettgewebe von Bauch oder Schenkeln des eigenen Körpers implantiert werden. Das sind dann zwei große Eingriffe mehr. Nach dieser Beratung informierte mich der Arzt darüber, dass ich nicht genug Fettgewebe für einen solchen Wiederaufbau hätte. Ein schwacher Trost. Nach langem Hin und Her war die Entscheidung schließlich auch innerlich gefallen.

Unerwartete Bewahrung

Bei einer Kontrolluntersuchung vor der OP wurde ein Knoten in der einen Brust entdeckt. „Sieht gutartig aus. Aber Sie sollten eine Biopsie machen lassen, um sicherzugehen.“ Der Knoten war nicht gutartig. Es blieb beim geplanten OP-Termin, zusätzlich sollten die Lymphdrüsen kontrolliert werden, um auszuschließen, dass der Krebs gestreut hatte.

Der OP-Tag kam. Ich war aufgeregt, aber dankbar. Was für eine Bewahrung! Ich konnte den Knoten nicht fühlen, obwohl ich wusste, wo er saß. Hätte ich mich gegen die Brustentfernung entschieden, wäre er unentdeckt weitergewachsen. Die OP dauerte mehrere Stunden lang. Als ich aus der Narkose auftauchte, spürte ich den Druckverband um meinen Oberkörper. Die Ärztin informierte mich darüber, dass alles gut gelaufen sei und die entnommenen Lymphknoten frei von Metastasen seien. Morgen würde sie den Verband lösen und ich dürfe das Ergebnis sehen.

Am nächsten Vormittag stellte sich eine Schwester mit einem Spiegel vor mich hin und die Ärztin löste den Druckverband. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber nicht das. Das waren nicht meine Brüste. Sie waren viel zu groß, blau und eingedellt. Nur mit Mühe konnte ich mein Entsetzen und meine Tränen zurückhalten. Ich wollte meine schönen Brüste zurück. Die Ärztin war sichtlich enttäuscht von meiner Reaktion. „Die Schwellung geht noch zurück. Aber sind sie nicht perfekt?“ Ich produzierte ein Lächeln, dann wurde der Verband wieder angebracht. Kaum hatte die Ärztin das Zimmer verlassen, brach ich in Tränen aus. Der Verlust und die Enttäuschung schlugen über mir zusammen. Meine Zimmernachbarin nahm mich in die Arme und hielt mich, bis der erste Weinkrampf versiegte. Sie hatte das Ganze schon hinter sich.

Wichtige Erinnerung

Glücklicherweise brauchte ich weder Chemotherapie noch Bestrahlung. Die Ärztin ging davon aus, dass eine Hormontherapie genügen würde.

In den Wochen nach der OP machte ich gewissenhaft die empfohlenen Gymnastikübungen, um beweglich zu bleiben; ich ertrug den BH, der die Form der Brüste erhalten sollte, und schlief auf dem Rücken. Die Narben verheilten gut, manche Dellen in der Brust verschwanden. Ich gewöhnte mich langsam an das andere Gewicht und freundete mich mit meinen neuen Brüsten an. Meinem Mann fiel der Prozess leicht, was mir eine Last abnahm. Leider hatte ich an vielen Stellen auf meinen Brüsten und drumherum kein Gefühl mehr. „Das kommt oft wieder“, versicherte meine Ärztin mir. Stattdessen bekam ich Nervenschmerzen. Meine Haut auf der Brust fühlte sich an wie verbrüht, die leichteste Berührung schmerzte, sodass ich am liebsten ohne Kleider gewesen wäre, was natürlich nicht ging. Ich nahm starke Schmerzmittel, bis die Überempfindlichkeit wieder verschwand. Das Gefühl kehrte nicht zurück.

Mittlerweile sind fast zwei Jahre vergangen. Die Narben sind gut verheilt. Bei den Kontrolluntersuchungen wurden keine weiteren Knoten entdeckt, zumindest keine bösartigen. Aber selbst nach dieser Zeit habe ich mich nicht an die Implantate gewöhnen können. Die Silikonkissen sind für mich Fremdkörper, die mich jeden Tag stören, sogar bei so einfachen Dingen wie der Nagelpflege. Durch die Gefühllosigkeit der Haut ist es, als trüge ich einen BH mit Busen. Nachts ist es besonders störend, da ich Bauchschläferin bin. Es bleibt das unangenehme Gefühl, auf etwas Hartem zu liegen. Auch mit einem Kissen habe ich noch keine optimale Lösung gefunden.

Ein Implantat hat sich gedreht, was beim Umziehen, Liegen und auch beim Sex zusätzlich leichte Schmerzen bereitet. Das lässt mich nicht vergessen, dass ich Implantate habe. Optisch ist das Ergebnis gelungen. An einer Stelle hat das fehlende Brustgewebe für eine mittelgroße Delle gesorgt, aber im BH sehen meine neuen Brüste ausgesprochen gut aus. Trotzdem habe ich vor einiger Zeit Gott mein Leid geklagt. „Meine Brüste waren makellos, und jetzt muss ich mit diesen mangelhaften Exemplaren leben.“ Seine Worte, die ich in meine Gedanken hinein vernahm, waren ebenso zärtlich wie bestimmt: „Deine Brüste sollen dich daran erinnern, dass du Krebs hattest und lebst.“

Dieser Artikel erschien erstmalig in LYDIA 1/2024.

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