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Auf das schauen, was möglich ist

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Ich bin 36 Jahre alt, seit 18 Jahren habe ich chronische Schmerzen, die seit zehneinhalb Jahren noch viel massiver geworden sind. Ausgelöst wurde alles durch zwei unverschuldete Autounfälle. Ich erwache jeden Tag mit Schmerzen und habe keine Minute Schmerzfreiheit, bis ich wieder schlafe. Mein Leben fordert jeden Tag viel von mir, und trotzdem ist es gut. Gott hat mich nicht geheilt und trotzdem fühle ich mich von ihm getragen und nicht alleingelassen.

Dreimal wurde öffentlich in der Gemeinde für mich gebetet, nebst tausenden Gebeten im Stillen. Dreimal ist augenscheinlich nichts passiert. Ein paar Monate nach dem ersten Gebet passierte sogar der zweite Unfall.
Ich bin seit bald elf Jahren glücklich verheiratet und habe keine Kinder. Wir beide lieben Kinder. Allerdings lebe ich jeden Tag am Limit, auch wenn das nicht jeder sieht. Deshalb möchte ich kein Kind, denn ich fürchte, dass ich es nicht betreuen könnte. Ein schmerzlicher Verzicht, aber er bringt mich nicht um und lässt mich nicht bitter werden.
Über die Jahre wurde ich immer wieder mit Versen aus der Bibel konfrontiert, in denen es um Gnade ging. Ich wusste nicht recht, was ich damit anfangen sollte, dachte, vielleicht hätte ich sie besonders nötig. Irgendwann las ich den Vers „Lass dir an meiner Gnade genügen“ (2. Korinther 12,9) im Zusammenhang und weinte bitterlich. Plötzlich verstand ich etwas. Ich kämpfte mit dem Gedanken, nicht zu genügen, weil ich kein Geld nach Hause bringen konnte. Ich begriff, dass ich genau mit meiner „Schwäche“ genüge. Mir wurde auch klar, dass ich auf dieser Welt nicht mehr vollständig geheilt werden würde. Warum? Ich weiß es nicht. Ich hätte nichts dagegen, wenn sich mein Zustand verbessern würde, ganz und gar nicht. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es mir gut geht. Ich habe den besten Mann der Welt, gute familiäre Verhältnisse und meine beste Freundin. Ich bin kreativ und verarbeite viel dadurch. Ich nähe für mein Leben gern und restauriere kleine Möbelstücke. Meine Psyche blieb wie durch ein Wunder gesund, obwohl dies bei Schleudertraumata oft nicht der Fall ist.
Ich habe mich keiner Selbsthilfegruppe angeschlossen, denn ich halte es nicht aus, wenn nur darüber gesprochen wird, was alles nicht mehr geht. Ich habe mich entschieden, stattdessen auf das zu schauen, was möglich ist. Momentan schreibe ich einer Frau, die körperlich stark eingeschränkt ist und die Perspektive verloren hat. Es ist sehr schwierig, das weiß ich, aber aufgeben ist quasi das „Todesurteil“, zumindest für die Seele.
Viele Christen gehen davon aus, dass ein Kranker geheilt werden sollte. Trifft der Fall nicht ein, weiß man oft nicht weiter, und das finde ich traurig. Wo steht denn geschrieben, dass wir gesund sterben werden? Ich bete sehr viel und bin absolut der Meinung, dass Jesus heilen kann. Aber er muss nicht, und er entscheidet. Doch eines weiß ich: Er lässt uns nicht hängen!

Melanie Altherr-Schwegler ist verheiratet und liebt kreative Tätigkeiten. Dieser Artikel erschien in LYDIA 4/2016.

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