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Keine Macht den Sorgen

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Sorgen sind wie Fliegen: Sie rauben mir den Schlaf. Nur schwirren sie nicht um meinen Kopf, sondern in meinem Kopf. Wie werde ich diese lästigen Störenfriede los?

Fliegen, Fliegen, Fliegen, wohin das Auge reicht. Mit meinem Wischmopp versuche ich die lästigen Insekten zu verscheuchen. Dies stellt sich als Fehler heraus: Sie schwirren nur umso wilder um meinen Kopf herum. Ich habe keine Chance, sie zu vertreiben. Wie soll ich nur das Treppenhaus reinigen, wenn diese lästigen Tierchen mir das Leben so schwermachen?
Verzagt beende ich für diesen Tag meine Arbeit und überlege den ganzen Abend, wie ich es anstellen soll, mit dieser Fliegenplage fertig zu werden. Vielleicht sollte ich Teebaumöl versprühen? Oder Lavendel verteilen? Diese Fliegen machen mir ganz schön zu schaffen!
Doch am nächsten Morgen sieht die Welt schon anders aus. Als ich mich mit Besen und Wischeimer ins Treppenhaus schleiche, voller Furcht vor den kleinen schwarzen Tierchen, traue ich meinen Augen nicht: Der Boden ist übersät mit toten Fliegen! Es waren lauter Eintagsfliegen, die mir so zugesetzt haben! Diese lästigen Tierchen, die gestern noch um meinen Kopf schwirrten, meine Gedanken vereinnahmten und sogar meinen Schlaf störten, weil ich ihrer nicht Herr zu werden glaubte, liegen nun reglos auf dem Fußboden. Ich brauche sie nur noch mit dem Besen zusammenzukehren und wegzuwerfen. So einfach ist das mit den Eintagsfliegen.

Fliegen in meinem Leben

Während ich den Boden wische, wird mir klar: Auch in meinem Leben gibt es immer wieder „Eintagsfliegen“, die meine Gedanken vollständig in Anspruch nehmen. Diese Fliegen haben keine Flügel und schwirren nicht um meinen Kopf, sondern in meinem Kopf. Aber sie sind genauso lästig. Werde ich mit meinen Vorbereitungen für den Unterricht fertig? Wie bringe ich diese Woche alle Termine unter? Unser Auto zeigt schon wieder seine altersbedingten Probleme. Das kommende Wochenende macht mir Angst: Wir haben viel zu viel vor! Was soll ich bloß für den Besuch am Donnerstagabend kochen? Und verkraften wir die dritte Mietzinserhöhung innerhalb eines Jahres?
Diese Fragen sind keine Probleme, die am nächsten Tag verschwunden sind. Dennoch sind sie in gewisser Weise „Eintagsfliegen“. Manche Sorgen erscheinen im Moment übergroß, erweisen sich aber bald als hinfällig. Das Auto repariert kurzfristig ein uns gut bekannter Mechaniker. Der Besuch bekommt meinen rasch zubereiteten, sehr leckeren Kartoffelauflauf. Und die aus Zeitmangel nicht perfekt vorbereitete Unterrichtsstunde gefällt den Schülern besonders gut, denn diesmal fällt der Lernspielabschnitt etwas länger aus …
Von den Eintagsfliegen habe ich gelernt: Manches, das im Moment schier unlösbar scheint, hat sich am nächsten Tag oder nach einigen Wochen geklärt. Sorgen und Nöte erscheinen im Nachhinein oft nichtig und klein.

Mein Sorgentagebuch

Da die Erinnerung an mein Fliegenerlebnis nach einiger Zeit verblasste, brauchte ich eine praktische Hilfe. So begann ich ein „Sorgentagebuch“ zu führen. Nicht etwa, weil es so schön ist, Sorgen aufzuschreiben. Nein, Probleme möchte ich am liebsten vergessen, nicht archivieren! Aber das Sorgentagebuch unterstrich meine „Eintagsfliegenthese“. Als ich ein Jahr später zurückblätterte, erschien mir der ungerechte Lehrer meiner Tochter nicht mehr als Bedrohung für unser Familienleben, denn inzwischen hatte meine Tochter das Jahr dennoch gut abgeschlossen.
Nach einer Weile bemerkte ich eine Veränderung: Sobald ein Problem auftrat, stellte ich mir unwillkürlich die Fragen: „Wie werde ich in einem Jahr über diese Sache denken? Wird sie mir immer noch schlaflose Nächte bereiten?“ Diese Fragen realistisch zu beantworten hilft mir, Dinge nicht tragischer zu nehmen, als sie sind. Und ich kann wirklich schlimme Momente in meinem Leben anders angehen, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich auch Phasen der Krankheit und des Verlustes bewältigen kann und sie oft sogar besondere Segenszeiten in meinem Leben sind.

Chronik des Segens

Da war zum Beispiel der unverschuldete Autounfall vor einigen Jahren, der mir monatelange Schmerzen in der Halswirbelsäule verursachte. Zu dieser Zeit belasteten mich die unfairen Anrufe und Briefe des Versicherungsvertreters der Unfallgegnerin, die schlaflosen Nächte wegen der Kopfschmerzen und der Ärger über die Frau, die am Steuer eingeschlafen und ungebremst in unseren Van gefahren war. Doch heute sehe ich eine Segensspur, die mich seit dem Unfall begleitet. Ich kann von Herzen sagen: Gott hat alles gut gemacht! Auch wenn die verletzte Halswirbelsäule noch lange Zeit schmerzte, gab es so viele schöne Überraschungen. Die erste kam wenige Tage nach dem Unfall: das Geschenk eines Familienthermenaufenthaltes mit Spezialbehandlungen für mich. Ärzte behandelten mich kostenlos oder sehr günstig. Ich lernte viele nette Menschen kennen. Und unser Sommerurlaub war in jenem Jahr besonders schön.
All diese Geschenke von Gott haben meinen Ärger über den Unfall in Dankbarkeit verwandelt: nämlich darüber, dass meinen Kindern gar nichts und mir nichts Schlimmeres passiert ist. Ich kann schon längst wieder gut schlafen. Mein Denken kreist nicht mehr um diesen Unglücksfall, auch wenn ich rechtlich betrachtet schlecht abgeschnitten hatte. Selbst diese Probleme waren „Eintagsfliegen“.
Mein Sorgentagebuch ist zu einer „Chronik des Segens“ geworden und ein Beweis dafür, dass Gott alles gut gemacht hat. Ich will sie nicht ignorieren, die Eintagsfliegen, die mein Leben belasten. Aber ich will mich nicht mehr vor ihnen fürchten. Denn jetzt weiß ich: Morgen schon könnten sie verschwunden sein. Und in einem Jahr werden sie mein Leben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr so stark belasten.
Darum will ich schon heute nach Segensspuren Ausschau halten. Und wenn die Fliegen aufgehört haben, um meinen Kopf zu schwirren – nun ja, die Kehrschaufel steht schon bereit!

Dieser Artikel erschien in LYDIA 3/2015.

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Eine Antwort

  1. Gerade während ich den Artikel lese, schwirrt tatsächlich eine lästige Fliege um mich herum und macht mir bewusst worüber ich mir allein in diesem Moment alles Sorgen mache... Danke für diese wertvollen Gedanken!

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