Die perfekt-unperfekte Weihnachtskrippe

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Als die alte Krippe aus der Dachkammer wieder zum Vorschein kommt, hält sie eine besondere Botschaft bereit …

Vor etwa einem Jahrzehnt kam er zu mir und sollte eigentlich seinen Weg zu einer christlich-sozialen Einrichtung finden. Aber seine stattliche Größe machte ihn leider unattraktiv für mein Vorhaben. Denn so ein Krippenstall muss bekanntlich über das Jahr hinweg eingelagert werden können. Da fand man keinen Raum für so eine große Herberge.

Eine Krippe ist schließlich nur saisonal ein Hingucker. Na ja, und weil meine auch noch ohne Krippenfiguren daherkam, war auf Anhieb nicht mal ein weihnachtlich stimmendes Hingucken möglich. Also wanderte der Stall in die hinterste Ecke der Dachkammer und wurde von anderen Dingen überlagert.

Unverhofft kommt oft

Dann, eines Tages, überrumpelt mich meine Entschlusskraft: „Heute ist es so weit! Es ist wieder Adventszeit, und ich werde den Stall onlineverkaufen, so schön er auch ist und so liebevoll ihn der freundliche alte Herr damals auch gebaut hat. Du brauchst den Stall nicht! Loslassen und mit weniger Gepäck leben – das ist jetzt die Devise!“

Damit bugsiere ich das riesige Teil kurzentschlossen durch alle engen Türen des Hauses hinaus auf den Balkontisch, damit er dort für ein Fotoshooting posieren kann. Und wie der Stall da so in der winterlichen Mittagssonne steht, kommen sein Fachwerk, die Echtholz-Dachschindeln, die Sprossenfenster, der Heuboden, zu dem eine Leiter führt, die Stalllaterne und alle anderen schönen Details so richtig zur Geltung.

„Nein, Christine, du wirst jetzt nicht weich, weil er so schön ist!“, bin ich streng mit mir. „Mein Entschluss steht … ähm … ziemlich fest. Jawoll!“ Und so verkünde ich es auch meinem erstaunten Mann. „Wow, das hätte ich nicht für möglich gehalten!“, sagt er. Ich bin von meinem konsequenten Handeln fast selbst begeistert.

Mein kleines Shooting kann also starten. Just in diesem Moment kommt eine Bekannte vorbei, sieht den Stall, lobt seine Schönheit und sagt: „Der lässt sich zu Weihnachten richtig schön herrichten! Ich habe alte Krippenfiguren, die dort genau hineinpassen würden, die kann ich gern vorbeibringen! Mit etwas Stroh und Moos dazu … Der Stall kann richtig toll werden!“

Nun, mal ehrlich? Kann ich dazu denn Nein sagen? Ich lasse mich gern von ihrer Fröhlichkeit und ihrem Tatendrang überwältigen und bin gespannt, wie der Stall aussehen wird.

Gleichzeitig spüre ich jedoch, dass ich irgendwie noch auf etwas anderes gespannt bin, und deshalb hört Gott mich zu ihm sprechen: „Ich hatte mir das ja ganz anders gedacht. Aber vielleicht kommt irgendetwas Gutes dabei heraus? Ich lasse mich überraschen, ob du etwas damit vorhast …“

Perfekt unperfekt

Hergerichtet ist der Stall schließlich ein echter Knaller! Das findet auch mein Mann. Unverhofft haben wir eine perfekt eingerichtete Krippe bekommen: Jesus liegt in der Futterkrippe, in der Mitte des Stalles. Maria kniet neben ihm. Josef steht daneben und hält eine Laterne. Ochs und Esel, rechts und links im hinteren Teil der Herberge, sind bequem auf Stroh gebettet. Der Hirte hat seinen Hut Ehre erbietend abgenommen, steht mit seinen Schafen seitlich und schaut zu Jesus. Der erste der Sterndeuter betet Jesus an. Seine Kollegen kommen hinterdrein.

Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich annehmen, wir hätten tief in die Tasche gegriffen und uns eine neue Krippe zugelegt. Der zweite – und damit der genauere – Blick erzählt mir jedoch eine andere Geschichte …

Ich sitze abends bei Kerzenschein vor unseren Neuzugängen im Stall und schaue sie mir eingehend an.

„Manche Figuren sind ein wenig angeschlagen“, hatte unsere Bekannte gesagt. Und wir hatten gemeinsam das hinkende Schäfchen ins Moos gestellt. Dass der Hirte statt eines Hirtenstabes einen Schaschlikspieß in der Hand hält, ist ein gelungener Behelf, finde ich. Dem anderen Schäfchen sind die Ohren abhandengekommen. Das fällt aber nur auf, wenn man wirklich ganz genau hinschaut. Und ich sagte noch zu unserer Bekannten: „Genau dafür ist Jesus ja gekommen – für alle, die nicht gesund, heil und fit sind. Und für die Menschen, die sich mit Behelfen und Einschränkungen abfinden und arrangieren müssen. Bei Jesus sind alle willkommen!“

Ich freue mich, dass diese „Krippenmannschaft“ zu uns gefunden hat. Die Figuren sind herrlich unperfekt und in einigen von ihnen finde ich mich selbst durchaus wieder.

Mit Schmerzen loslassen

Da fällt mein Blick noch mal auf Maria und ich werde gewahr, was ich zuvor übersehen habe: Ihr fehlt die linke Hand! Oha. Da brauchen meine Gedanken gar nicht erst in die Ferne zu schweifen, da habe ich sofort Menschen aus meinem Umfeld vor Augen.

Für viele Frauen ist Maria eine Identifikationsfigur. Sie hat viel Leid ertragen, besonders, als sie Jahre später unter dem Kreuz ihres Sohnes stand. Der Anblick hatte ihr das Herz zerrissen. Es war, als würde ein Teil von ihr sterben, und sie konnte ihr Kind nicht halten und den Peinigern nicht wehren.

Unsere Maria hat nur eine Hand! Und sie erinnert mich an alle, die ihre geliebten Kinder, Partner und Freunde nicht halten konnten und mit diesem schweren Verlust versuchen müssen weiterzuleben. Arme Maria! Sie zeigt mir, wie schwer es für viele Menschen ist, Weihnachten zu feiern, wenn etwas von ihnen genommen wurde. Gerade an Weihnachten, das für viele das wichtigste Familienfest ist, bricht der Schmerz darüber mitunter besonders stark auf. Ich denke, unsere Maria macht es richtig: Sie schaut auf Christus, den Heiland, den Tröster, den wirklichen Menschenversteher. Ohne ihn wäre das Leben doch echt zum Kaputtgehen, oder?

Weihnachten hat uns den Helfer ganz nahegebracht. Das war Gottes Plan. Und der ist gelungen. Jesus hat am Kreuz gerufen: „Es ist vollbracht!“ Seither hat der Tod nicht mehr das letzte Wort. Gut so!

Eine Botschaft für viele

Ich bin dankbar, dass ich bei Christus willkommen bin, gerade dann, wenn ich mal wieder merke, dass ich vieles nicht begreife. Wenn mir die Konflikte des Lebens, die Widersprüchlichkeiten und die unüberblickbaren Dinge des Weltgeschehens zu viel werden. Und auch dann, wenn meine eigene Unfähigkeit mich peinlich berührt und traurig macht, ist dies ein wirklich feines Weihnachtsgeschenk: bei Jesus zur Ruhe zu kommen und mich angenommen zu wissen!

Da hat mir diese Krippe ihre ganz eigene Predigt gehalten, überlege ich. Was hatte ich Gott gesagt? „Vielleicht kommt irgendetwas Gutes dabei heraus? Ich lasse mich überraschen, ob du etwas damit vorhast …“

Ja, da ist etwas Gutes bei herausgekommen: Zunächst eine stille Predigt für mich, die mich sehr berührt hat. Dann habe ich meinen Enkeln anhand der Krippe die Weihnachtsgeschichte erzählt. Mit den Zweijährigen habe ich die Figuren benannt und sie dann alle zu Jesus gebracht. Den älteren Kids konnte ich schon die Version mit den angeschlagenen Akteuren nahebringen.

Schließlich habe ich in der Pflegeeinrichtung, in der ich arbeite, eine Andacht gehalten, in der ich den Bewohnerinnen und Bewohnern unsere ganz besonderen Krippenfiguren vorgestellt und sie ihnen zum Betrachten in die Hände gelegt habe.

Und alle haben wir gehört: Jeder Mensch ist willkommen, so wie er ist. Alle dürfen zu Jesus kommen. Alle sind wir eingeladen. Und wir Alten haben uns trostvoll zu Herzen genommen: Was auch immer dich bewegt, dir Schwierigkeiten macht oder dich fast um den Verstand bringt – du kannst jederzeit zu Jesus kommen und ihm alles, wirklich alles ans Herz legen.

Christine Schlagner arbeitet im Sozialdienst eines Seniorenzentrums. Dies ist die gekürzte Version einer Geschichte aus dem neuen Weihnachtsbuch der Lydia-Edition: „Weihnachten – Zeit des Lichts“, herausgegeben von Ellen Nieswiodek-Martin.

Foto: Privat

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3 Antworten

  1. Ich habe den Text nun schon zum zweiten Mal gelesen. Aber da steckt so viel drin, das sich das lohnt! Und diesmal sogar mit Bild. Ich nehme an, es ist die echte Krippe aus der Erzählung?

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