Frei durch

Vergebung

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Lange Zeit hatte Monika über ihre Mutter keine guten Gedanken. Im Gegenteil: Sie wurden im Laufe der Jahre so schlimm, dass sie nicht mehr ihre Tochter sein wollte.

Ungewolltes Spiegelbild

Bevor ich auf der Welt war, lernte meine Mutter einen gutaussehenden Mann kennen. Leider war er schon verheiratet. Doch sie hoffte, wenn sie von ihm ein Kind erwarten würde, würde er sich scheiden lassen und sie zur Frau nehmen. Sie erreichte es tatsächlich, von ihm schwanger zu werden, nämlich mit mir. Das änderte jedoch nichts an seiner Entscheidung. Meine Mutter musste meinen leiblichen Vater für immer aufgeben.

Inzwischen war ich zur Welt gekommen. Nicht lange danach fand meine Mutter einen anderen Mann, den sie heiratete. Ich war äußerlich meinem leiblichen Vater ähnlich, für den sie inzwischen nur noch Hass empfand. Immer wieder hatte sie in der Erinnerung sein Bild vor Augen. Wenn ich zum Beispiel ruhig war oder auf eine Frage nicht schnell genug antworten konnte, dann schimpfte sie mit mir, als hätte ich etwas Schlimmes angestellt: „Du bist wie dein Vater! “ In vielen ähnlichen Situationen spürte ich ihre Ablehnung. Übertrug sie den Hass auf meinen Vater auf mein Verhalten?

Auf Abstand

Jahr um Jahr versuchte ich, meine Erinnerungen zu verdrängen. Die Folge war, dass ich irgendwann vor der Entscheidung stand: Entweder gehe ich an all dem kaputt, oder ich werde diese Frau nicht mehr als meine Mutter akzeptieren. Sie war in meinen Gedanken nur noch eine schwierige Frau, vor der ich mich hüten musste.

Es war Heiligabend. Meine Mutter teilte mir mit, dass sie Weihnachten mit meiner Omi und meinem Onkel in Mecklenburg feiern würde. Zu der Zeit war ich hochschwanger. Wir erwarteten unser zweites Kind. Deshalb fühlte ich mich entlastet, dass wir das Weihnachtsfest nicht mit ihr verbringen mussten. Mein Mann und ich freuten uns, Heiligabend nur mit unserem kleinen Sohn zu feiern. Wir hatten eine schöne Zeit und gingen voller Freude und Zufriedenheit schlafen.

Am nächsten Tag rief die Cousine meiner Mutter an und sagte mir, dass meine Mutter nicht mehr lebte. Sie war nie bei meinem Onkel angekommen. Stattdessen wurde sie in Berlin im Teltowkanal ertrunken aufgefunden. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Mir kamen die Tränen. Ich weinte nicht, weil ich sie als Mutter verloren hatte, sondern weil ich sie nie wiedersehen würde. Sie war fort – für immer! Leider hat die Polizei nie festgestellt, wer ihr das angetan hat, denn die näheren Umstände schlossen einen Selbstmord aus.

Eine Entscheidung des Willens

Jahre später, als ich Jesus Christus mein Leben anvertraute, geschah etwas Ungewöhnliches. In seelsorgerlichen Gesprächen, die eine besondere Bedeutung für mein Leben hatten, lernte ich, wie wichtig Vergebung ist. Ich brauchte lange, bis ich das verstanden hatte. Der Schmerz prägte mich, immer wieder zu sagen: „Nein, ich will mich nicht erinnern. Nein, ich kann nicht vergeben.“

Mir wurde jedoch klar, dass Vergebung keine billige Entschuldigung ist. Die Liebe Gottes war stärker als mein anfängliches Nein. Nach und nach konnte ich meiner Mutter alles vergeben, was sie mir angetan und mich fast zerstört hatte. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis ich spürte, dass die schwermütigen Gedanken langsam verschwanden. Alles Negative, alles Ablehnende und auch alles Schreckliche verschwanden nach und nach. Danach blieb keine Vorwurfshaltung zurück.

Wiedergefunden

Eines Tages war ich in der Küche beim Abwaschen. Auf einmal kam mir ein interessanter Gedanke: Was wäre, wenn meine Mutter noch leben würde und plötzlich zu mir in die Küche käme? Mir wurde klar, dass ich sie in meine Arme nehmen und am liebsten nie mehr loslassen würde. Ich wusste, dass ich meine Mutter nicht nur im Herzen, sondern in meinem ganzen Sein für immer wiedergefunden hatte. Sie war eine Mutter, die ich einst nicht mehr ertragen konnte. Aber Jesus hat sie mir zurückgegeben. Ich bin wieder ihre Tochter.

FOTO: BAZA Production / Shutterstock.com

Das komplette Interview findet sich in Lydia 02/25. Die Lydia kann als Abo oder als Einzelheft erworben werden.

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