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Familienalltag: Kein Grund für Minderwertigkeitsgefühle

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"Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, aber man sieht nichts mehr davon", dieser Gedanke hat sich in meinem Kopf eingenistet. So gerne würde ich etwas schaffen, was bleibenden Wert hat. Nicht immer nur Krümel beseitigen, kochen, Wäsche aufhängen und sauber machen.

Ich stehe im Flur und schaue auf die Zimmertür unserer kleinen Tochter. Feierabend. Irgendwann ertappt mich mein Mann dabei, wie ich regungslos im spärlich beleuchteten Flur stehe. „Ist alles in Ordnung?“, fragt er. „Hm“, murmle ich.
Das kleine Bärchen, das an Amandas Kinderzimmertür hängt, bemerkt er nicht. Es ist ein Türschild, das ich gebastelt habe: ein pummeliger Bär mit einer bunten Latzhose, der eine Fahne in der Hand hält. Darauf steht in großen Buchstaben AMANDA.

Haushaltsfrust

Es war ein ganz gewöhnlicher Tag. Zwischen den Pflichtübungen, die ein Haushalt mit sich bringt, halte ich die beiden Kinder bei Laune und gleichzeitig mich selbst – wobei ich manchmal überlege, was von beidem leichter ist. Wenn mein Mann von der Arbeit nach Hause kommt und wir gemeinsam beim Abendessen sitzen, beginnt auch schon der übliche Zu-Bett-Geh-Countdown: Ungeduldig warte ich, bis die Kinder die letzten Krümel auf dem bunten Kinderteller vertilgt haben.
Wenn die Kinder ihren Schlafanzug anhaben, gehen wir zur nächsten Disziplin über, dem Zähneputzen. Wie ein Trainer, der kurz vor dem Kampf seinem Schützling unablässig die gleichen Ermahnungen eintrichtert, erinnere ich meine Kinder daran: „Wer nicht schön die Zähne putzt, bekommt keine Gutenachtgeschichte.“ Insbesondere unsere 2-jährige Amanda kann schon mal einen kleinen Ringkampf aufführen, wenn sie beschlossen hat, ihre Beißerchen keiner Zahnbürste zu zeigen! Nach der anschließenden Vorleserunde im Bett habe ich Feierabend. Das Licht in den Kinderzimmern ist aus. Niemand ruft mehr „Mama“.

Wäscheberge und Krümel

Manchmal kann ich den Feierabend allerdings nicht richtig genießen: nämlich wenn mich das Gefühl beschleicht, nichts geleistet zu haben. Zumindest nichts von dauerhaftem Wert – im Gegensatz zu meinem Mann.
Ein Beispiel: Mein Mann hat unseren kleinen Speicher ausgebaut. Das Ergebnis ist ein winziger, aber wunderschöner gemütlicher Raum, der jetzt als Gästeschlafzimmer dient und außerdem von den Kindern als zusätzliches Spielzimmer heiß geliebt ist. Allen Gästen wird dieser Raum vorgeführt. Mein Mann bekommt anerkennende Blicke von seinen Freunden. Meine Freundinnen beglückwünschen mich zu meinem begabten Mann, und für die Freunde meiner Kinder ist es ein Highlight, wenn ich ihnen erlaube, im „kleinen Speicher“ zu spielen. Noch Jahrzehnte später wird mein Mann die Speichertür öffnen und den Raum voller Genugtuung betrachten können. So ein Projekt möchte ich auch haben!

Sehnsucht nach Erfolgserlebnissen

Meine eigenen Projekte kommen mir eher wie eine Sisyphusarbeit vor: Kaum habe ich eine schöne Torte gebacken, sind nur noch Krümel übrig. Kaum habe ich den Wäschekorb geleert, füllt er sich so schnell wie Amandas Windel. Und abends glaubt mir keiner mehr, dass ich morgens den Badezimmerboden nass gewischt habe.
Ich glaube sogar, Sisyphus hatte mehr Erfolgserlebnisse als ich. In der Sage rollt er täglich einen Stein den Berg hoch. Immer wenn er fast oben angelangt ist, entgleitet ihm der Stein und fällt wieder hinab. Wenn ich doch so weit käme! An vielen Tagen habe ich das Gefühl, ich habe nicht einmal ein Drittel des Bergs bezwungen. Und jeden Tag fange ich ganz von unten an: Wieder Wäsche waschen, Staubsaugen, Essen kochen.

Kreativ werden

Doch heute ist es anders: Ich habe einen kleinen Bären aus Papier gebastelt. Meine Mutter hatte mir Bastelbücher geschenkt. Ich sollte doch mit meinen Kindern basteln. Als wichtige Maßnahme zur Frühförderung zahlreicher Fähigkeiten im Kleinkindalter. Vielleicht auch als Maßnahme zur Steigerung des Selbstbewusstseins müder Mütter, denke ich jetzt. Am Tag zuvor hatte ich schon damit angefangen. Heute haben die Kinder mir geholfen. Das war natürlich am anstrengendsten! Abends, als sie im Bett waren, habe ich dann das Türschild in Bärenform vollendet.
Jetzt stehe ich vor Amandas Kinderzimmer und betrachte stolz den knuddeligen Teddybären mit der Fahne in der Pfote. Dieses hübsche Türschild aus Papier werde ich behüten wie meinen Augapfel! Das habe ich ganz allein geschafft. Dieser kleine Bär bleibt da hängen – und wird nicht abgekratzt wie der Schmutz von der Herdplatte oder weggeworfen wie die Windelsammlung des Tages. Nein. Ich habe endlich auch etwas von bleibendem Wert geschaffen! Eine wunderbare Therapie für mein angeschlagenes Selbstbewusstsein. Zumindest mittelfristig.

Die langfristige Perspektive finden

Und was hilft langfristig? Vielleicht der Blick aufs große Ganze. Denn für meine Kinder wünsche ich mir natürlich eine Menge und fühle mich persönlich verantwortlich für ihr Interesse an Musik und Büchern, für Sport und Natur, Offenheit für andere Länder und Kulturen, selbstbewusstes Auftreten, Höflichkeit und vieles mehr. Mal abgesehen von der Frage, was wir als Eltern davon wirklich erreichen werden: Sind diese Eigenschaften von dauerhaftem Wert? Vielleicht halten sie ein Leben lang. Was für ein Erfolg! Für uns Menschen ist das eine große Zeitspanne! Doch in Gottes Augen ist unser Leben wie Gras, das verdorrt (Jesaja 40,6-8) – oder wie ein Schokobonbon im Mund einer Zweijährigen. Jesus macht auch nicht nur Marta deutlich, dass ein perfekter Haushalt nichts auf der Prioritätenliste verloren hat (Lukas 10,38-42). Er würde sicher allen tüchtigen Müttern sagen: „Setzt eure Energie für das richtige Ziel ein – für die Ewigkeit!“

Die Frage ist also: Wenn aus meinem Bastelbären Altpapier geworden ist und unsere Enkel längst den kleinen Speicher renoviert haben oder gerade unser Haus abreißen, was bleibt dann noch? Die Bibel sagt ganz klar: die Liebe (1. Korinther 13,13).Wir Mütter werden nie das ganze Ausmaß der Früchte unserer Mühe erfassen können. Manches wird sich erst in der Ewigkeit zeigen. Die Liebe Gottes aber, die wir unseren Kindern mitgeben, ist ein ewiges Erbe. Die Kinder können es später weitergeben, von einem Menschen zum anderen und von dort wieder weiter, von einer Generation zur nächsten. Ein Schneeballeffekt, der eine Lawine der Liebe auslösen kann.Ich habe mir vorgenommen: Wenn ich wieder einmal das Gefühl habe, an einem Tag nichts geschafft zu haben, dann bete ich für meine Kinder. Ich bete, dass Gott ihnen Liebe schenkt – für sich selbst und für andere. Ich bin mir sicher, dann war mein Tag nicht umsonst.

Dieser Artikel stammt aus LYDIA 2/2013.

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