Die Brote, die Judith Lehnhardt herstellt, sehen aus wie Kunstwerke. „Ich kann nicht anders, als jedes Brot zu verzieren“, sagt die 40-Jährige. Angefangen hat alles, als es in der Coronazeit keine Hefe gab und sie lernte, für ihre Familie Sauerteigbrot zu backen. Die Großfamilie ist wichtig für Judith, denn ohne die Unterstützung ihrer Eltern wäre ihr Leben wohl schwieriger verlaufen.
Judith, eigentlich bist du Fremdsprachenkorrespondentin. Inzwischen stellst du richtige Brotkunstwerke her. Wie kamst du auf die Idee, die Brote so kunstvoll zu verzieren?
Ich habe auf Instagram verzierte Brote gesehen und fand sie so faszinierend, dass ich auch welche machen wollte. Die Freude am Verzieren war von Anfang an da. Vorher bin ich eigentlich immer auf der Suche nach meinem Talent gewesen. Ich habe Menschen beneidet, die irgendetwas richtig gut konnten. Ich hatte das nicht gefunden. Und in den vergangenen zwei Jahren ist es mir geschenkt worden. Ich möchte einfach schöne Brote backen! Mein Beruf hat mir zwar auch Spaß gemacht, aber diese Leidenschaft habe ich erst jetzt mit dem Brot entdeckt. Das hat mich richtig gepackt.
Was ist das Besondere am Sauerteig?
Mich fasziniert immer wieder das Prinzip dahinter – ein Teig, der immer weiterlebt. Ein Sauerteig besteht nur aus Mehl und Wasser. Mehr ist nicht drin. Die Triebkraft kommt durch ihre Verbindung. Für mich ist das wie ein Wunder! Es sind nur diese wenigen Zutaten drin, und ich weiß, wo sie herkommen. Das gibt mir ein gutes Gefühl, dass ich damit meine Familie versorgen kann.
Da du keine Ausbildung zur Bäckerin gemacht hast, darfst du kein Gebäck verkaufen. Wer isst die vielen Brote, die du backst?
Die ganze Familie isst mit. Meine Eltern und meine Schwester wohnen mit im Haus, und auch meine drei Kinder lieben das Sauerteigbrot. Häufig verschenke ich die Brote auch.
Wie alt sind deine Kinder?
Der große Sohn ist schon 19. Die beiden Kleinen, ein Junge und ein Mädchen, sind sieben und fünf. Als ich meinen ersten Sohn, Noah, bekommen habe, war ich 21. Ich bin nach dem Abitur für zwei Jahre als Au-pair nach Amerika gegangen. Dort hatte ich eine Beziehung. Die ging allerdings in die Brüche, und als ich wiederkam, war ich schwanger. Ich hatte nicht geheiratet und war alleinerziehend. Der Vater meines Sohnes ist in den USA, da besteht auch kein Kontakt.
Du bist in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen. War das eine rebellische Phase?
Ich habe den Glauben mit der Muttermilch mitbekommen. In meiner Zeit in Amerika war ich unabhängig von den Regeln meiner Eltern und der Gemeinde. Im Prinzip war das eine Rebellion. Ich wollte mich lösen von dieser Enge, diesem streng Gesetzlichen. Als Kind und Jugendliche habe ich viel verboten bekommen und damit oft gehadert. Ein Beispiel: Früher wurde in der Schule und im Dorf Fasching gefeiert. Ich durfte da nicht hingehen, denn „man verkleidet sich als Christ nicht“. Also saß ich zwei Tage lang zu Hause. Für mich waren diese Verbote schrecklich. Ich möchte das ein bisschen anders machen mit meinen Kindern. Klar, manches verbiete ich ihnen auch, wenn ich davon überzeugt bin, dass es nicht gut für sie ist.
Wie ist es heute mit dem Glauben?
Es waren diese zwei Jahre, in denen ich rebelliert habe. Aber weg war der Glaube trotzdem nie. Meine Familie ist mir auch nachgegangen und hat mich nicht aufgegeben in dieser Zeit. (…)
Weiterlesen in Lydia 3/2023.
Das Interview führte Ellen Nieswiodek-Martin.
Foto: Deborah Pulverich
Eine Antwort
Super, genau das wollte ich sehen, nach dem mich die Fotos so neugierig gemacht haben : wie funktioniert das verzieren 😁 vielen Dank 🤩