Der lange Weg der Versöhnung

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Meine Beziehung zu meiner Schwiegermutter war von manchen Schwierigkeiten begleitet, und sie begannen schon mit unserer Hochzeit. Ich hatte den einzigen Sohn einer Mutter geheiratet und hätte nie gedacht, dass es zu solchen Komplikationen kommen könnte.

Meine Schwiegermutter war alleinerziehend und eng mit ihrem Sohn verbunden. Wenn er abends von der Universität nach Hause kam, kochte sie ihm immer eine Tasse Tee und stellte Plätzchen oder belegte Brote auf den Tisch. Manchmal hatte sie sogar einen Frankfurter Kranz oder eine Schwarzwälder Kirschtorte gebacken. In einem angeregten Gespräch oft bis nach Mitternacht ließen sie dann den Abend ausklingen.
Nun war ich „junges Ding“, wie sie mich manchmal nannte, in die traute Zweisamkeit geplatzt, aber meine Schwiegermutter hoffte, das Teestündchen am Abend mit in die neue Lebensphase hinüberretten zu können.
Die erste Zeit unserer Ehe wohnten wir im selben Haus. So passierte es häufig, dass sie zu uns hinaufrief: „Karl-Heinz, komm bitte mal herunter! Wir müssen etwas Wichtiges besprechen!“ Mein Mann ging dann die Treppe hinunter und kam und kam nicht wieder. Ich lag in meinem Bett und wartete eine Stunde, dann zwei und wurde vom Unmut gepackt, denn es war so oft der Fall, dass mein Mann von seiner Mutter in Beschlag genommen wurde.
Einmal, als er nach Mitternacht endlich im Schlafzimmer erschien, packte mich der Zorn. Es fielen böse, hässliche Worte. Mein Mann legte sich ins Bett und sagte keinen Ton. Das machte meinen Zorn noch größer, weil mein Reden ihn nicht erreichte. Es war, als spräche ich gegen eine Wand. Ein oder zwei Stunden lagen wir stumm nebeneinander. Dann griff ich meinen Mann am Arm und rief weinend: „Karl-Heinz, lass uns doch miteinander reden! Wir wollen Christen sein und schweigen uns hier an!“ Dann haben wir bis ins Morgengrauen hinein über unsere Konflikte gesprochen.

Das tägliche Gebet für meine Schwiegermutter veränderte alles

In diesem Gespräch wurde uns klar, dass unsere Beziehung von Vertrauen getragen werden sollte. Kein Mensch durfte sich trennend zwischen uns stellen. Wir beide gehörten zusammen. Aber es war uns auch wichtig, dass die Mutter in unserer liebenden Beziehung eingeschlossen bleiben sollte. Wir wollten dem Teufel nicht erlauben, Zwietracht aufkommen zu lassen und unsere Familie zu zerstören.
Das war die neue Perspektive für unser Miteinander. Nun hatten wir einen Entschluss gefasst, aber es war ein langer, harter Weg, ihn in die Tat umzusetzen. Dies war ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen sollten. Mal verstanden wir uns recht gut – das war besonders in der Zeit der Fall, als unser erstes Kind geboren wurde –, aber es gab immer wieder Zeiten, in denen wir froh waren, wenn wir uns aus dem Weg gehen konnten. Wenn man unter einem Dach wohnt, ist dies nicht so einfach.
Geholfen hat mir das Gespräch mit einem Pfarrer, der mir einen guten Rat mit auf den Weg gab: „Frau Bormuth, beten Sie täglich für Ihre Schwiegermutter. Das Gebet wird in Ihnen Verständnis für die Mutter Ihres Mannes wecken.“ Dieser Rat gefiel mir zunächst gar nicht, aber ich wollte Gott gehorsam sein und übte mich im Beten. Es ist erstaunlich, wie sehr mir das tägliche Gebet geholfen hat. Ich lernte seine Mutter viel besser verstehen und wurde bereit, mich selber nicht mehr so wichtig zu nehmen. Ja, ich konnte sie sogar ehren, denn sie hatte meinem Mann das Leben geschenkt.

Ein kleiner Kuss mit großer Bedeutung

Die Lösung unserer Probleme geschah nicht von heute auf morgen, sondern ich brauchte einen langen Atem und viel Geduld. Im Rückblick bin ich dankbar für diese Lebensschule. Wir fanden zueinander. Als meine Schwiegermutter 90 Jahre alt wurde, richtete ich ihr den Geburtstag aus. Ich backte Torten und Kuchenund es wurde ein schönes Fest ohne einen Tropfen Wermut. Mutter saß in ihrem Lehnstuhl und war glücklich über die Gratulation, die sie von unserer großen Familie entgegennehmen konnte. Einen Sohn hatte sie, jetzt aber war die Familie auf fünf Enkel mit ihren Partnern und sechs Urenkel angewachsen. Jeder überreichte ihr ein Geschenk: ein Fläschchen Parfüm, eine Schachtel Pralinen, einen Strauß Rosen. Sie war so stolz auf ihre Enkel, die schon fast alle im Berufsleben standen. So verbrachten wir glückliche Stunden miteinander. Als ich mich am Abend von ihr verabschiedete, dankte sie mir, drückte mich in ihre Arme und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dieser Kuss war mir sehr wertvoll, denn ich kann mich sonst kaum an einen Kuss von ihr erinnern.

Noch mehr räumliche und emotionale Nähe

Nach ihrem 90. Geburtstag nahmen ihre körperlichen Kräfte ab. Es war uns klar, dass sie nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung leben konnte. Behutsam bereiteten wir den Übergang zu uns vor. Als sie einmal in die Klinik musste, schien uns der Zeitpunkt ihrer Entlassung günstig zu sein, sie zu uns zu nehmen. Mein ältester Sohn begleitete mich bei diesem wichtigen Gespräch. „Weißt du, Oma, du bist noch so schwach und kannst nicht auf deinen eigenen Beinen stehen. Ich glaube, dir würde eine Erholungszeit bei uns guttun. Wir nehmen dich erst einmal zu uns nach Hause.“ Ohne Widerrede ließ sie sich ins Auto tragenund so fuhren wir zu uns. Ein Zimmer hatte ich für sie hergerichtet und einen Blumenstrauß auf den Tisch gestellt. Ich übernahm ihre Betreuung, denn sie war nun zum Schwerstpflegefall geworden. Sie hat in der Zeit, in der sie bei uns war, nicht einmal gejammert, dass sie in ihre Wohnung zurückwolle, sondern genoss es, ihre Lieben so ganz nah um sich zu haben. Als ich sie einmal am Morgen wusch, schaute sie mich freundlich an und lächelte: „Ach Lotte, dass du mich aber so gut versorgst!“ Dabei drückte sie mir ganz fest die Hand.

Abschied im tröstlichen Licht von Weihnachten

Besonders mein Sohn Daniel, der noch zu Hause wohnte, nahm sich ihrer herzlich an. Wenn er für seine Oma das Abendbrot richtete, legte er meist noch einen Kranz von Schokoladenbonbons um ihr Wurstbrot. Er setzte sich auch immer zu ihr ans Bett, sang ihr ein Lied vor, betete mit ihr, und dann nahmen sie gemeinsam die Mahlzeiten ein. „Weißt du, Mutti“, erzählte er mir einmal, „ich will ja Pfarrer werden. Da habe ich es doch auch in meinem Beruf mit vielen alten Menschen zu tun. Den Dienst bei der Oma sehe ich wie ein Praktikum an. Ich bin richtig froh, dass ich dir in der Pflege und Versorgung von Oma helfen kann.“ Daniel hat viel Liebe in die Betreuung gelegt. Seine Freunde – und er hatte sehr nette Freunde – nahm er mit in Omas Zimmer. So sorgten sie mit ihrem Lachen und Erzählen für Kurzweil.
Dann kam ein Tag, an dem Oma das Essen verweigerte. Ihr Zustand verschlechterte sich merklich. Sie schlief und schlief und zeigte kaum noch Interesse an ihrer Umgebung. Vier Tage vor Weihnachten holte Gott sie heim.
Daniel hat unter ihrem Tod wohl am meisten gelitten. Am Tag vor Heiligabend fiel meinem Mann die Aufgabe zu, seine Mutter zu beerdigen. Fast 93 Jahre alt war sie geworden. So standen wir als Großfamilie um ihren Sarg und hörten auf den Text aus dem Hebräerbrief: „Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Mutter hatte sie gefunden.
Am Grab meiner Schwiegermutter wurde mir deutlich, welch eine Bedeutung das Kommen Jesu an Weihnachten für unser Leben, aber auch für unser Sterben hat. Der Gottessohn hat den Himmel verlassen und ist zu uns auf unsere Erde gekommen, damit wir einen Retter und Heiland haben . Dieses Weihnachtsfest wurde bei uns in großer Stille verbracht. Ich konnte immer nur sagen: „Du, Gott, hast alles wohl gemacht.“

Dieser Artikel erschien in LYDIA 4/2015.

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Eine Antwort

  1. „Ich finde es schade. Da leiden doch die Kinder darunter. Wer seinen Sohn oder seine Tochter liebt, der mischt sich nicht ein. Außerdem leidet der Ehepartner auch darunter. Die Mutter sollte loslassen. Gott sagt, dass die Tochter oder der Sohn die Mutter verlässt und dass sie oder dann bei ihrem Ehepartner sein wird. Deswegen lasst los und mischt euch nicht ein! 1. Korinter 13 ist der Maßstab und das Buch Ruth das Vorbild für Schwiegertochter und Schwiegermutter.”

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