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Mein kleiner

Wald

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Ich nenne ein kleines Stückchen Wald mein Eigen. Vieles verbindet mich mit diesem Flecken Erde. Ich umsorge ihn wie ein Kind und bewundere dieses Wunderwerk der Schöpfung.

Von Hermine Lang

Der Wald gab meinen Vorfahren Holz zum Heizen und Bauen. Als Kind bin ich unzählige Male den Hang hinauf und hinab, habe Äste und Holz geschleppt. Wir haben im Frühjahr und im Herbst neue Bäume gepflanzt, sie über viele Jahre gehegt und gepflegt. Nach Stürmen standen wir mit Tränen in den Augen vor dem Gewirr der umgefallenen Bäume und haben sie in wochenlanger Arbeit aus dem Wald geschafft. Viele dieser Aufgaben in mühsamer Handarbeit.

Schon als junger Mensch war der Wald für mich wie Gottes liebende Umarmung. Egal, in welchem Gemütszustand ich ihn betrat, ich kam immer verwandelt wieder heraus. War ich traurig, spendete er mir Trost, war ich verwirrt und aufgewühlt, beruhigte er mich, Angst und Mutlosigkeit wandelte er in Zuversicht und Hoffnung. Gottes Apotheke und Therapie.

Raubbau an der Natur

Lange Zeit wurden fast nur Fichten und Kiefern angepflanzt. Sie wachsen schnell und können relativ bald genutzt werden – für den Eigenbedarf oder zum Verkauf. Man nannte sie deshalb auch Brotbäume. Damals waren die Winter noch schneereicher und kälter, es gab das Jahr über genügend Regen. Nun sind die Winter schneearm und trocken, die Sommer heiß und noch trockener. Die Bäume sind dadurch geschwächt und haben den Schädlingen wie dem Borkenkäfer nichts mehr entgegenzusetzen. Viele vertrocknen auch einfach. Hinzu kommen die Monokulturen. All das lässt unsere Wälder krank werden und sterben. Man kann sie nicht einfach durch Neuanpflanzungen ersetzen. Es sterben nicht nur die Bäume, es stirbt der Wald, weil alles miteinander verbunden und verwoben ist. Ohne die Bäume sterben auch die anderen Pflanzen, die Pilze, die Insekten und Käfer, dann die Vögel und das Wild.

Schon als junger Mensch war der Wald für mich wie Gottes liebende Umarmung. Egal, in welchem Gemütszustand ich ihn betrat, ich kam immer verwandelt wieder heraus.

Wir Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende zu oft grob und rücksichtslos in dieses Zusammenspiel eingegriffen und es zerstört. Heute bemühen sich wieder mehr Menschen darum, es besser zu machen – auch mein Mann und ich. Wir versuchen das Befinden und die Bedürfnisse unseres Waldes zu verstehen und ihn dabei zu unterstützen, wieder ein vielfältiger und gesunder Wald zu werden. Ihm zu helfen, den Herausforderungen und Schwierigkeiten des Klimawandels gerecht zu werden. Wir pflanzen viele verschiedene Baumarten an, um eine neue Vielfalt zu erreichen. Dadurch wird der Wald vitaler und kann sich gegen Schädlinge besser wehren. Die neuen Baumarten kommen mit Hitze und Trockenheit besser zurecht, unter anderem deshalb, weil sie ihre Wurzeln tiefer in die Erde senken.

Hegen und pflegen wie ein Kind

Unser Wald von der Größe eines Hektars ist wie ein Kind für mich. Ich sorge mich um ihn, leide mit ihm, wenn er leidet, freue mich mit ihm und atme auf, wenn er den dringend benötigten Regen und Schnee bekommt. Um jeden kranken oder umgefallenen Baum tut es mir leid. Gleichzeitig weiß ich, dass auch tote Bäume wichtig sind für diese Lebensgemeinschaft. Das Holz zerfällt und wird wieder Nahrung für die anderen Pflanzen. Wie viele Tiere und Pilze leben von diesem Holz!

Genau das ist es, was wir versuchen: die Natur wieder Natur sein zu lassen. Ohne immer und ständig einzugreifen. Langsam, ganz langsam wird dieses kleine Stück Wald wieder ein Wald, der nicht „aufgeräumt“ ist. Das heißt, nicht jeder Ast wird entfernt. Abgestorbene und umgefallene Bäumchen bis zu einer gewissen Größe dürfen liegen bleiben. Es sieht „unordentlich“ aus. Entlang der vermodernden Stämme keimen die Baumsamen besonders zahlreich. Millionen von Insekten leben im morschen Holz und helfen, es zu zersetzen. Ein Wald, in dem auch das geschehen darf –Werden und Vergehen, der Kreislauf des Lebens.

Ich bewundere die Lebenskraft der Natur. Wie aus einem Baumstumpf ein neuer Trieb herauswächst, wie das trockene, braune Moos sich nach einem Regenschauer wieder vollsaugt, grün und prall wird und Wasser speichert. Wie aus einem totgeglaubten Wald ein neuer wird – man braucht ihm nur Zeit zu geben, wie zum Beispiel im Bayerischen Wald. Die Natur ist etwas Wunderbares, und wir sind ein Teil davon, der Mensch mit seinem Körper, seinem Geist und seiner Seele.

Ein verborgener Plan

Ich empfinde die gesamte Natur als Werk von Gottes Herrlichkeit, als Beweis seiner Größe und Macht. Ich sehe darin auch seine Liebe zum Detail, seine unerschöpfliche Kreativität. Die Symbiose von Pflanzen und Tieren, von den Baumwipfeln bis zu den Wurzeln. Flüsse, Seen und Meere: Alles ist miteinander verbunden und folgt einem verborgenen Plan. Im Frühjahr, wenn Bäume und Hecken mit Macht austreiben und wachsen, wenn Kitze, Hasen und Fuchswelpen geboren werden, wenn Vogelstimmen wieder erwachen und es in den Nestern zwitschert. Im Sommer mit seiner trägen Hitze, wenn alles sich nach einem erfrischenden Gewitterregen sehnt. Im Herbst, wenn die Bäume ihr Festkleid anziehen. Und im Winter, wenn sich alles zurückzieht, es in Wald und Flur ruhig wird. Darin ist eine unbeschreibliche Sinnlichkeit enthalten.

Entdecken wir in unserer Natur wieder die Sinnlichkeit! Sie besitzt eine Ästhetik, eingehaucht von ihrem Schöpfer. Durch unsere geöffneten Sinne können wir diese wunderbare Natur sehen, hören, riechen, schmecken, begreifen, in uns aufnehmen. Es befällt mich eine tiefe Ehrfurcht vor der Schöpfung. Ich kann nicht anders, als unseren Schöpfer darin zu sehen, und versuche, seinen Plan zu erkennen und danach zu handeln.

Hermine Lang lebt mit ihrem Mann im südlichen Franken. Sie liebt es, zu schreiben, in ihrem Garten zu arbeiten und singt im Kirchenchor. Außerdem ist sie mit Herzblut dabei, ihren kleinen Wald umzubauen und fit für den Klimawandel zu machen. Dieser Artikel erschien in Lydia 3/2022.

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