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Ja zu meiner

Berufung

Portrait von Mareike Meiß-Schleifenbaum

Dr. Mareike Meiß-Schleifenbaum leitet seit fast einem Jahr das Marburger Bibelseminar. Im Interview mit Lydia erzählt sie, wie sie ihre Berufung gefunden hat und welche Rolle Vorbilder dabei gespielt haben.

Mareike, du hast schon als Kind an Gott geglaubt. Was hat deinen Glauben geprägt?

Der Kindertreff in der Gemeinde war sehr wichtig. Dort wurden biblische Geschichten erfahrungsorientiert erzählt. Beim Auszug aus Ägypten sind wir zusammen durchs Gemeindehaus gelaufen, schön verkleidet mit Geschirrtüchern. Als es um die Geschichte ging, als Manna vom Himmel fiel, haben wir Popcorn gegessen.

Später waren Jugendkreis und Jugendtreffen wichtig. Dort habe ich Impulse bekommen, die zu meiner Lebensphase passten.

Auch meine Oma, Lotte Bormuth, ist eine der Lichtgestalten im Glauben für mich gewesen. Weil meine Mutter berufstätig war, haben wir Kinder oft bei Oma zu Mittag gegessen. Sie hat uns Geschichten erzählt, vorgelesen und mit uns gebetet. In den Jugendstudien zur religiösen Entwicklung werden sehr oft die Oma und die Mutter als wichtige Vorbilder im Glauben genannt, das kann ich bestätigen. (…)

Du hast nach dem Studium dein Referendariat gemacht und zwei Kinder bekommen. Seit Januar 2023 bist du offizielle Leiterin des „Marburger Bibelseminars“. Wie kam das?

Ich kenne das MBS gut, weil mein Vater, Klaus Meiß, es 26 Jahre lang geleitet hat. Da die Kinder der Mitarbeitenden bei Festen zu verschiedenen Anlässen dabei waren, fühlte ich mich dort heimisch. Später habe ich Englisch und Theologie für Lehramt studiert und anschließend als Lehrerin in Heidelberg gearbeitet. In dieser Zeit habe ich bei den religionspädagogischen Studientagen am MBS mitgeholfen und gemerkt, dass mir die Erwachsenenbildung sehr liegt.

Während meiner Promotion kam die Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, als Dozentin ans MBS zu kommen. Mein Mann ist Pfarrer und konnte hier in der Landeskirche arbeiten.

Ich habe zuerst als Honorarkraft unterrichtet, dadurch konnte ich reinschnuppern und schauen: Ist das etwas für mich? Klappt das mit meinem Vater als Chef? Ich war damals offiziell noch in Elternzeit. Danach war klar, dass ich am MBS bleibe. Mein Vater und ich haben gemerkt, dass wir sehr gut zusammenarbeiten. Auch die Kolleginnen und Kollegen kamen gut damit klar. Auf die Leitungsstelle habe ich mich dann offiziell beworben. (…)

Lehrerinnen und Erzieherinnen in staatlichen Grundschulen oder Kitas sagen immer wieder: „Eigentlich würde ich gerne eine Weihnachtsfeier mit den Kindern machen oder einen Martinsumzug, aber wir haben so viele andersgläubige Kinder in den Gruppen, da lassen wir Jesus lieber weg.“ Was ist da euer Tipp?

Ich finde es fatal, wenn man die Frage der religiösen Pluralität so löst, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Gerade Jesus würde ich im Hinblick auf muslimische Kinder nie rauslassen, weil sie Jesus auch kennen.

Es gibt verschiedene Konzepte. Eins, das mir gut gefällt, ist das der „Beheimatung und Begegnung“. Bei diesem Konzept ist klar: „Ich bin in meiner Familienreligion beheimatet. Aber ich kann anderen begegnen.“ In einer evangelischen Kita bedeutet das zum Beispiel in der Praxis, dass ich christliche Feste feiere wie Weihnachten, Ostern und vielleicht sogar Pfingsten, aber nicht das islamische Zuckerfest. Gleichzeitig wird Rücksicht auf muslimische Kinder genommen – ganz im Sinne der Begegnung.

Mein Mann ist als Pfarrer für die Kita zuständig, und er macht regelmäßig Kinder-Andachten. In dieser Kita sind viele muslimische Kinder. Sie haben eine christliche Leiterin und auch viele Erzieherinnen, die an Jesus glauben und für die Kinder beten. Da stellt sich zum Beispiel beim Segen für die Schulanfänger die Frage: Segne ich ein muslimisches Kind oder nicht? Eine Möglichkeit im Sinne der Begegnung ist, mit den Eltern zu sprechen. Man kann ihnen sagen, was der Segen für uns bedeutet, und sie fragen, ob es in Ordnung ist für ihr Kind. Interessanterweise hat in den vier Jahren, die er das schon macht, noch nie eine muslimische Familie gesagt, sie nehmen das nicht an.

Ich versuche, unseren Studierenden klarzumachen, dass sie ein Recht auf religiöse Angebote haben, dass das eine Ressource und ein Schatz für Kinder ist. Was dann passiert, haben wir sowieso nicht in der Hand. Das ist dann Gott, der wirkt. Viele biblische Geschichten tun Kindern gut: Da geht es ums Ausgrenzen und Hineinholen, ums Wiedergutmachen, ums Verlieren und Finden, um den Neid unter Geschwistern.

Ich glaube, es ist besser, den Glauben sichtbar in der Gesellschaft zu haben und dann aber auch muslimischen Gläubigen diese Orte der Sichtbarkeit zu gönnen. Das ist für eine Gesellschaft gesünder, als wenn wir so tun, als ob alles gleich sei, und man dann das Thema ins Private verschiebt. (…)

Weiterlesen in Lydia 4/2023.

Interview: Ellen Nieswiodek-Martin
Foto: Deborah Pulverich

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