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Hoffnung

ins Gefängnis bringen

Erika Ströer

Erika Ströer geriet nach über zwanzig Jahren im Polizeidienst in eine tiefe Sinn- und Lebenskrise. Darin begegnete ihr Gott und schenkte ihr eine neue Hoffnung und Berufung. Heute lebt sie in Uganda und besucht dort Menschen in Gefängnissen.

Erika, was hat Ihnen den Anstoß gegeben, nach Uganda zu gehen?

Ich habe im Polizeidienst viel Schweres erlebt. Wir haben Verbrechen aufgeklärt, sind bei Suiziden gerufen worden, bei Kindesmissbrauch … Die Arbeit nahm mich sehr ein. Als meine Ehe zerbrach und mein Wunsch nach einem Kind unerfüllt blieb, stellte ich mir die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ich wurde depressiv und war nahe dran, mein Leben selbst zu beenden, weil ich glaubte, dass der Tod das ist, was auf vielen Grabsteinen steht: „Ruhe in Frieden.“ Ein ewiger Schlaf.

Bevor ich mich selbst umbringen konnte, hat Gott zu mir gesprochen. Ich habe mich erinnert, dass ich als Kind einmal gesagt hatte: „Wer will mich hier überhaupt haben?“ Und jetzt hörte ich in mir diese Stimme: „Ich. Ich wollte dich hier haben. Ich habe dich nicht verlassen.“

Das war der Wendepunkt. Bei der Polizei lernte ich einen Kollegen kennen, der die Bibel las. Er konnte mir Antworten auf meine Fragen geben. Aufgrund der Depression und Suizidgefahr ging ich vorzeitig in den Ruhestand. Während der Rehabilitation konnte ich meine Beziehung zu Jesus vertiefen. Dann sprach ich ein mutiges Gebet: „Ich möchte so gern im vollzeitlichen Dienst für dich unterwegs sein, Herr!“ Über Umwege bin ich 2009 nach Uganda gekommen.

Was haben Sie dort gemacht?

Als Volontärin und Mitarbeiterin in einem christlichen Werk besuchte ich zum ersten Mal ein Hochsicherheitsgefängnis in Kampala. Das berührte mich tief. Ich kannte Strafanstalten aus Deutschland. Da wird gegrölt und gebrüllt, jeder ist sich selbst der Nächste. Man fordert: „Wir wollen mehr Fernsehprogramme!“ „Wir wollen Daunendecken, diese Wolldecken flusen!“

Nun kam ich in ein Gefängnis, wo die Männer wirklich zerbrochen aussahen. Sie durften in unserer Gegenwart nicht stehen, mussten sich immer hinhocken. Keiner schaute mir in die Augen. Niemand wagte es, mit mir zu sprechen. Mir kam ein Vers in den Sinn: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Recht zum Sieg führt“ (Matthäus 12,20).

Mein Englisch war schlecht, aber ich hatte einen Übersetzer. Meine erste Predigt war über Vergebung, das Herzstück unseres Dienstes. Vergebung und Hinführung zu Jesus, denn nur er kann ein neues Leben schenken. Schließlich ist aus dieser Gefängnisarbeit ein eigenes Missionswerk mit dem Namen „Fülle die Lücke e.V.“ entstanden.

Was ist Ihre Vision?

Unsere Aufgabe ist zuallererst Evangelisation. Hoffnung zu schenken. Jeden anzunehmen. Nicht zu fragen: „Wieso bist du hier?“ Wir richten nicht, sondern wir richten auf, möchten Würde zurückgeben, indem wir sagen: „Dein Schöpfer liebt dich. Und er hat auch mir Liebe für dich gegeben. Deswegen bin ich hier.“

Als ich das erste Mal in diesem Gefängnis stand, hatte ich Erbarmen mit den Menschen. Obwohl ich wusste: Das sind Straftäter, sie haben Gesetze gebrochen. Ich fragte mich: Darf ich Mitgefühl haben mit einem Täter? Bei der Polizei war ich auch mit den Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert. Mein Gerechtigkeitssinn sagte mir: „Das sind die Guten, für die setze ich mich ein. Die Bösen bekämpfe ich.“ Aber wer bin ich, ein solches Urteil zu fällen? Ich habe mit meiner Sünde vielleicht kein Gesetz gebrochen, aber im Endeffekt würden wir doch in Gottes Augen alle das Ziel verfehlen, wenn wir Jesus nicht hätten.

Heute zählt für mich: Bereut er oder sie die Tat? Wenn das Wissen um die eigene Fehlbarkeit da ist, ist der erste Schritt, Vergebung zu suchen. Sich selbst zu vergeben, aber auch Vergebung zu erbitten von Gott und von den Menschen, die man geschädigt hat. (…)

Weiterlesen in Lydia 2/2023.

Interview: Deborah Pulverich
Foto: Hanna Witte

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Eine Antwort

  1. Ich bin begeistert was Gott tut..mit Erika Stroer..🙏wunderbar ..Er trägt und über alles Leid hindurch...Preis den Herrn..welch ein berührende Lebensgeschichte..Gott segne Sie für Ihren Dienst..und Jesus ist ganz sicher an ihrer Seite

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