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Montag, 14.02.2022

Zwischen Paran und Tofel Hoffnung finden

Ich sitze im Bibelgesprächskreis meiner Gemeinde. Spontan habe ich die Leitung einer zweiten Gruppe übernommen, weil wir zu viele Leute für eine Gruppe sind. Unser Thema ist das fünfte Buch Mose. Ich bin nicht vorbereitet, werfe einen schnellen Blick ins Studienheft und bitte jemanden, das erste Kapitel vorlesen: „Dies sind die Worte, die Mose zu ganz Israel redete … im Jordantal gegenüber Suf, zwischen Paran und Tofel … nachdem er Sihon geschlagen hatte, den König der Amoriter, der in Heschbon herrschte ... Dann brachen wir auf vom Horeb und zogen durch die ganze Wüste ...“ (5. Mose 1,1–2;4;19).
Etwa zwanzig Augenpaare schauen mich an. „Worum geht es hier?“, frage ich. „Kann jemand den Kontext erklären?“
Ich warte. Schweigen. Ich schaue ins Studienheft. Bin ratlos. Irgendwie kommt der Text gerade weder bei mir noch bei der Gruppe an. Mir fehlt der Anfang, die Idee, was das alles bedeutet. Bis mir ein anderer Gedanke kommt: Vielleicht geht es heute in erster Linie nicht darum zu lesen, was Mose gesagt hat; sondern zu tun, was Mose getan hat – die Geschichten zu erzählen, unsere Geschichten. Die Geschichten der Väter, Onkel, Mütter und Großväter, unserer Stadt und unserer Nation. Alles, was passiert ist – die Höhen, die Tiefen, die Niederlagen, die Fehler, die Lehren, die Wunder Gottes.
Ich erinnere mich daran, wie mein Vater vor zwanzig Jahren abends in unserem Kinderzimmer auf der blauen Kunstledercouch saß, wenn die Sonne hinter den Vorhängen unterging. „Bitte, Papa, erzähl uns was!“ Und dann erzählte er Geschichten aus seinem Leben: wie er als Kind im Krankenhaus alleingelassen wurde; wie sein Opa zu Besuch kam; wie er Theologie studieren, aber nie Pastor werden wollte und es dann doch wurde. Und wir lernten, wer wir sind, wie unsere Familie wurde, wie Gott heute handelt und was im Leben wirklich zählt. Diese Geschichten gaben uns Identität, Verständnis, Hinweise auf Gottes Handeln, Vertrauen in unseren Vater und Vertrauen in Gott.
Ich schaue in die zwanzig Augenpaare vor mir in der Gemeinde und frage: „Haben eure Eltern euch von ihren Erfahrungen mit Gott erzählt? Welche Rolle haben die Geschichten eurer Familie in eurem Leben gespielt? Was nehmt ihr daraus mit?“ Die Antworten kommen sofort.
Wir können viel aus der Bibel lernen. Darüber hinaus sind es die Geschichten der Menschen, die wir kennen, denen wir vertrauen und die ähnliche Schwierigkeiten erlebt haben wie wir, die uns Mut und Hoffnung schenken.
Für meine Master-Arbeit studiere ich die Forschung zum Thema Hoffnung und finde diese Theorie bestätigt: Geschichten geben uns Hoffnung. Aber erzählen wir sie genug? In unseren Gottesdiensten, Familien und Freundschaften? Wo finden wir die sicheren Orte, um über unsere Kämpfe und Siege zu berichten? Aus dem fünften Buch Mose nehme ich mit: Es geht nicht nur darum, zu lesen, was Mose gesagt hat; sondern zu tun, was er getan hat: die Geschichten von unserer Generation, unseren Familien und aus unserem eigenen Leben weiterzugeben, um so Gott und das Leben kennen zu lernen und gemeinsam Hoffnung zu schöpfen.

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8 Antworten

  1. Liebe Frau RONJA.
    Ich bin begeistert von Ihrer spontanen Idee in Ihrer Situation.
    Gut, dass wir einen HELFER haben, der im Hintergrund die Führung übernimmt.
    Ein sehr wertvolles GESCHENK von unserem Vater im Himmel.
    Liebe Grüße aus dem Westerwald.

  2. Ich beschäftige mich zur Zeit auch wieder mal mit der Geschichte meiner Herkunftsfamilie. Manches liegt da im Dunkeln und wird vermutlich auch dort liegen bleiben. (zB. wie unsere Eltern sich kennengelernt haben).
    Mich hat in dem Text sehr angesprochen, dass es mit der eigenen Identität zu tun hat, zu wissen wo man herkommt und welche Wege die Vorfahren gegangen sind. Ganz allgemein im Leben, aber auch mit Gott.
    Es sind verschiedene Phasen im Leben wo die Familiengeschichte eine wichtige Rolle spielt. Ich hatte im Vorjahr mehrere gesundheitliche Krisen, wo ich anfangs nicht wusste, ob mein irdisches Leben nicht bald zu Ende geht. (das weiß man natürlich nie; aber manchmal sieht es einfach schlechter aus.)
    Beruflich bin ich in Altersteilzeit was ich als große Erleichterung empfinde. So hab ich mehr Zeit mich mehr auf das Sein als auf das Tun zu konzentrieren. Irgendwie schön nicht mehr in Konkurrenz und Karrierefragen verstrickt zu sein!

  3. In so einer Situation ist man sehr dankbar, wenn der Heilige Geist Rettung schickt. Ähnliche Momente erlebte ich auch schon.
    Greift man den Geistesblitz dankbar auf , läuft das Gespräch plötzlich wie von selbst. Es geht einfach weiter und das auch noch gut. Danke für den Impuls. Margret

  4. Geschichten sind immer wichtig und wegweisend! Das erlebe ich auch immer wieder. Und wie ich das so lese, muss Ronja in der Adventgemeinde sein. Dort gibt es diese Studienhefte und die Gruppen. Ich gehöre ihr auch an.
    Gottes Segen allesn Lesern.

  5. Die Idee, es in auf unsere Zeit anzuwenden, ist nachahmenswert! Wenn erst die Eltern gestorben sind, tauchen manche Fragen auf. Erzählen wir unseren Kindern doch mehr darüber, wie wir im Glauben erzogen wurden und was wir mit Gott erleben.

  6. Ich kenne das auch noch aus meiner Kindheit. Wir hatten eine ältere Nachbarin, die ich immer wieder bat mir aus ihrem bewegten Leben zu erzählen. Das war so spannend! Auch meine Mutter hatte einiges zu erzählen - aus den letzten Kriegstagen beispielsweise oder wie sie als junge Frau schon soviel Verantwortung hatte. Leider gibt es wenige junge Leute (das ist zumindest meine Erfahrung), die sich für uns Ältere (Ü55) und unsere Lebensgeschichten interessieren. Dabei würde sie manche Schilderung vielleicht etwas versöhnlicher stimmen, weil sie manche Eigenheiten dann anhand dem Erlebten besser nachvollziehen könnten. Zum Beispiel mussten wir früher auch sehr sparen und ich hatte kaum Spielzeug. In Urlaub sind wir auch nicht groß gegangen. 4 Tage Österreich war das höchste der Gefühle. Manche denken wir sind eine verwöhnte Generation. Das sehe ich nicht so. Es war früher alles nicht so übertrieben. Und das war gut so!

  7. Ich möchte aus eigener Erfahrung ergänzen, dass sich manche Fragen leider erst stellen wenn man selber schon älter ist. Die Eltern und andere Vorfahren sind da oft nicht mehr unter uns. Manches hat man sich auch nie zu fragen getraut.
    Ich bemühe mich meiner Nichte meine (weibliche) Sicht auf unsere Familiengeschichte ein wenig näherzubringen. Gleichzeitig merke ich und weiß aus eigener Erinnerung, dass man/frau in den Zwanzigern einfach so viel anderes um die Ohren hat. Und das ist ja auch verständlich.
    Im Hinblick auf mein eigenes Sterben gefällt mir die Formulierung der Luther Bibel: "zu seinen Vätern (Vorfahren) versammelt zu werden". Das drückt für mich ein wunderbares "Aufgehoben-Sein" aus.
    Wie immer das dann auch aussehen mag.

  8. Ich finde es auch seher intresant die Geschichten von unseren Eltern zu hören .Wir haben am Samstag Beume gefählt hinter unserem Garten .Unserer Sohn 32 hat uns geholfen .Meine Mama war auch da .Dann ärzehlte Sie uns wie es früher war.Wie schwer die Mädchens und die frauen das hatten .Bis zum halben meter im Schnee .Die Sege stumf .Da waren keine sooo gute Maschinen wie es heute sind . Dann sagte mein Sohn und hir hat mann alles und trotzdem ist das nicht sooo einfach .Danke für Eure Beitrege.Freue mich immer die zu lesen

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