Meine Nachbarin Britta und ich sitzen im Hof, der Ostwind pfeift um die Ecke und wir binden unsere Adventskränze – wie jedes Jahr um diese Zeit. Unsere Mieterin kommt von der Arbeit und fragt fassungslos: „Warum brennt der Stern nicht?“ Sonst begrüßen wir uns eher mit einem schlichten „Hallo“ oder „Na, schon den Müll rausgestellt?“ Das hier scheint ihr echt unter die Haut zu gehen. Ich muss mich erst mal sammeln, lasse den Adventskranz sinken und schaue Britta an. Sie bestätigt: „Ja, Maike, mir gefällt der Stern auch immer so gut, wenn ich mit den Hunden bei dir vorbeikomme.“
Das Bauernhaus, in dem wir wohnen, ist alt, sehr alt. Schätzungsweise 200 Jahre. Man hat in dieser Gegend die maroden Strohdächer gegen rotes Blech eingetauscht. Auch das schon vor langer Zeit. Und mein kleiner Herrnhuter Stern lässt sein warmes Licht von oben auf das alte Blechdach scheinen. Er hängt in unserer Gaube im ersten Stock. Eine steile Stiege führt in den ausgebauten Heuboden, der heute unsere Stube ist.
Die beiden Frauen sind noch ins Gespräch vertieft, während ich um eine Antwort ringe. Ich bin beschämt von der ungestümen Freude der unter uns wohnenden Frau. Ich verspreche, den Stern nun immer nachts eingesteckt zu lassen, damit sie ihn im Dunkeln sehen kann, wenn sie am frühen Morgen zur Arbeit aufbricht.
Diese Frau ist im Osten aufgewachsen, weiß wenig über den Gott des Trostes, des Lichts. Hin und wieder haben wir ihr christliche Broschüren gegeben. Aber dieser kleine stille Stern hat ihr Herz erreicht. Je länger ich darüber nachdenke, desto dankbarer werde ich. Wir haben schon oft für sie gebetet, auch in der Gemeinde.
Ich hatte den Stern wirklich immer nachts brennen lassen, nur letzte Nacht hatte ich ihn ausgesteckt. Gelöscht. Und so konnte sie merken, dass ihr etwas fehlt. Vielleicht hätte sie es sonst nie in der Intensität feststellen können?
Macht Gott es auch so, dass er scheinbar ein Licht auslöscht in unserem Leben? Nur um es nach einiger Zeit umso heller strahlen zu lassen? Wir dürfen vertrauen: Er macht es wohl zu seiner Zeit.
So bete ich weiterhin für diese Frau, dass sie durchdringt zum vollkommenen Licht, das nie mehr verlöschen wird. Zu seiner Zeit. Und ich lasse den Stern leuchten, noch weit in den Januar hinein.
Maike Münch
5 Antworten
Sehr schön erzählt.
Danke
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag. Ich fühle mich sehr ermutigt und getröstet.
Was für eine schöne Geschichte !
Manchmal sind wir uns dessen gar nicht bewusst, was wir an andere Menschen weiter geben und denken es passiert nichts...es liegt oftmals im Verborgenen und hin und wieder kommt es dann ans Tageslicht
Wir haben oft keine Idee davon, wie unsere Nachbarn uns wahrnehmen, ja beobachten.
Und ein Herrnhuter Stern war für uns in der DDR meistens das Zeichen, dass da Christen wohnen. Es gab nämlich auch noch andere Sternmanufakturen .
Aber Herrnhut steht eben auch für die Losungen.
Im Erzgebirge brennt der Stern traditionell bis zu Maria Lichtmess am 2. Februar.
Vielen Dank für die schöne Geschichte.
Wo wohnst du, liebe Maike?
Moin Christel,
vielen Dank für Deinen Text. Ich werde den kleinen Herrnhuter bis zum 2.2. hängen lassen. Versprochen.
Wir wohnen an der Ostsee.