Es ist noch dunkel draußen. Ich sitze am gedeckten Frühstückstisch und bin müde. Die Nacht war nicht sonderlich erholsam und in Gedanken bin ich schon bei all den Herausforderungen, die die neue Woche mit sich bringt. Ich wälze (potenzielle) Probleme, spiele verschiedene Szenarien durch und bin bereits am ersten Tag der Woche so müde, wie ich es oft nicht mal bin, wenn die Arbeitswoche hinter mir liegt. Ich denke über das nach, was die nächsten Tage mit sich bringen: den neuen Auftrag, der vermutlich doch aufwendiger wird als gedacht; das heikle Gespräch, das ich führen muss … Wenn ich nicht gedanklich in die Zukunft vorauseile, sehne ich mich zum Wochenende zurück. Ärgere mich darüber, dass ich es wieder nicht so ruhig habe angehen lassen wie ursprünglich geplant. Und wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, um das noch mal „richtig“ zu machen: viel lesen, lange ausschlafen, gute Gespräche – Energie tanken eben.
Die Realität sieht aber folgendermaßen aus: Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Es ist Montagmorgen und ich bin müde. Innerlich müde. Der Kaffee hat keine Besserung gebracht; als ich zu einem zweiten greife, sorgt der nicht für Wachheit, sondern lediglich für Magengrummeln. Während ich meinen trüben Gedanken nachhänge, schaue ich aus dem Fenster. Da sehe ich sie: Vögel! Seit dem Herbst kommen sie uns fast jeden Morgen besuchen, „frühstücken“ an den aufgehängten Futterstationen, tollen in der Luft herum und malen ein Lächeln auf unsere Gesichter. Sie strahlen Lebensfreude und Leichtigkeit aus. Genau das fehlt mir gerade. Ob die Vögel sich über die Zukunft den Kopf zerbrechen? Fragen sie sich, ob die Meisenknödel auch morgen noch am Baum hängen werden, oder genießen sie einfach das Futter?
Ich bin eine Planerin, durchdenke gern Dinge. Aber manchmal verliere ich darüber den Blick für das, was gerade jetzt passiert. Statt permanent Vergangenem nachzuhängen oder Zukünftiges zu durchdenken, möchte ich mehr das Jetzt wahrnehmen. Und es genießen. So wie das leckere Frühstück, das ich – in Gedanken versunken – quasi nebenbei verdrückt habe, statt mich zu freuen, dass der Tisch so reich gedeckt ist. Dankbar zu sein dafür und für die vielen anderen guten Dinge: die funktionierende Heizung, die unser Haus warm macht, oder dass wir gerade alle gesund sind. In Prediger 3 heißt es, dass alles seine Zeit hat. Dort ist vom Weinen und Lachen die Rede, vom Finden und Verlieren. Ich möchte ergänzen: Alles hat seine Zeit – sich an Vergangenes zu erinnern, die Zukunft zu planen, aber auch, die Gegenwart dankbar wahrzunehmen.
Nicole Sturm
4 Antworten
Vögel holen mich auch oft aus meinem Alltagstrott. Ganz in Gedanken versunken sitze ich da und plötzlich schleicht sich ein Zwitschern in meinen Sinn: da ist sie, die Meise und bedankt sich für das Futter. Oder die Amsel hüpft herum und futtert vom Meisenknödel ohne zu wissen, dass sie gar keine Meise ist.
Ganz schnell danke ich GOTT für diese wunderbare Welt und für SEINEN Gruß vom Himmel.
Ja, diese Situation kommt mir bekannt vor...
Spontan mußte ich bei den Vögeln an den Vers denken: Seht euch die Vögel an, sie säen nicht, auch ernten sie nicht, und euer himmlischer Vater versorgt sie (manchmal dürfen wir dabei helfen
Gott unser Vater im Himmel versorgt uns mit allem notwendigen was wir brauchen.doch hin und wieder bedenkt er mich auch mit einem besonderen chömli.so nennt man bei uns im allemanischen eine besonders für mich extra ausgesuchter Mitbringsel.völlig unerwartet
Herzlichen Dank, liebe Nicole, Inhalt und Form sind ein 'Meisterwerk', ich finde besser geht nicht. Etwas Ernstes wurde 'erzählt', es war wie ein 'Märchen' mit 'erzieherische Hintergrund'. Und du hast auch geholfen einen Überblick über dieses ganze, sich immer einmal wiederholende 'Szenario' zu geben, das ist schon ein gutes 'Gegenmittel', also nun nix wie 'raus in die Woche' mit neuem, besseren Verständnis, alles Gute dir und bleib dran am Schreiben.