Es ist Samstag und der evangelische Pastor wird gleich zum Gottesdienst im Seniorenzentrum erscheinen. Heute wird er mit den Bewohnerinnen und Bewohnern auch das Abendmahl feiern.
Ich habe die Kelche gefüllt, das Brot steht bereit. Frische Blumen schmücken den Altartisch. Mikrofon, Licht, frische Luft ... Ist an alles ist gedacht? Jetzt noch die Stuhlreihen für heute extra weit voneinander aufstellen, damit der Herr Pastor mit seinem weiten Talar nicht irgendwo an einer Lehne oder den Griffen eines Rollstuhls hängen bleibt. Es ist gut, wenn er sich für die Feier des Abendmahles frei zu den Seniorinnen und Senioren hin bewegen kann.
Als der Pfarrer sich wenig später anschickt, das Abendmahl auszuteilen, gehe ich ihm zur Hand, indem ich das Tablett mit den Einzelkelchen neben beziehungsweise hinter ihm her trage. Er hat somit immer direkten Zugriff auf einen Kelch und dadurch beide Hände frei, um ihn den Gläubigen zu reichen und sie gegebenenfalls – bei körperlichen Einschränkungen – hilfreich darin zu unterstützen, den Kelch auch bis an ihren Mund zu heben.
So weit ist alles fein und feierlich.
Da der Gottesdienstraum mit Besuchern gut gefüllt ist, gehe ich mehrfach zum Altartisch zurück, um ein weiteres Tablett mit Kelchen zu holen und das leere dort abzustellen. Reihe für Reihe "arbeiten" wir uns so durch die Bewohnerschaft. Es liegt eine andächtige Stille über dem Raum. Plötzlich – ich bin gerade wieder mit einem vollen Tablett hinter dem Pastor angelangt – wendet sich dieser ruckartig zu mir um. Ich bremse ab, weiche mit dem Tablett und einem innerlichen „Huch! Ach, du Schreck!“ zurück. Und kann gerade noch alles ausbalancieren.
Jetzt erst realisiere ich, dass wir in einer "Sackgasse" gelandet sind: Ein sehr ausladender E-Rolli versperrt uns den Weg zu den übrigen Gottesdienstteilnehmern in dieser Stuhlreihe.
Der Geistliche und ich müssen rückwärtsgehen und quasi einen "Umweg" nehmen.
Da höre ich den Pastor sehr leise und humorvoll in meine Richtung raunen: "Wie unsere Choreografie wohl von oben aussieht?"
Ich würde am liebsten lachen, aber wir beide sind sehr beherrscht und verteilen das Mal des Herrn würdevoll, wie es angemessen ist. Klare Sache!
Dieses Ereignis liegt nun schon Jahrzehnte zurück, aber es lässt mich immer noch schmunzeln. Es ist wohl diese feine Art von Humor gewesen, die mich diesen Satz nicht hat vergessen lassen: "Wie unsere Choreografie wohl von oben aussieht?"
Und heute denke ich: Wie sieht Gott wohl auf mein Leben? Auf Vollbremsungen, die ich hinlege? Auf Sackgassen, in denen ich plötzlich feststecke? Auf Umleitungen, die mir mitunter Verdruss oder Kummer bereiten?
Da fallen mir "Von-oben-Verse" aus Psalm 33 ein:
"Der Herr schaut vom Himmel herab und sieht 'die Choreografie aller Menschen'. Von seinem Thron aus sieht er jeden einzelnen. Der Herr beschützt alle, die ihm gehorchen und auf seine Gnade vertrauen." (frei nach der Neues Leben Bibel)
Für mich ist es tatsächlich beglückend, dass Gott meine Choreografie sieht! Und nicht nur sie, sondern auch mein Selbst und meine innersten Beweggründe.
Ich habe erlebt: Er hat mich bisher bei keiner Vollbremsung und in keiner Sackgasse meines Lebens allein gelassen! Ebenso ist er auch bei Umwegen nie von meiner Seite gewichen.
Und ich bin mir sicher: Er lächelt mitunter über so manche meiner bemühten Verrenkungen. Denn er hat mich liebevoll und wohlwollend von oben im Blick. Klare Sache!
8 Antworten
Sehr schöner Vergleich!
Ein sehr gelungener, liebevoller Beitrag. Ich bin ja auch zutiefst davon überzeugt, dass Gott humorvoll ist.
Humor hilft den Alltag besser zu bewältigen, bringt Menschen zusammen, entschärft schwierige Situationen.
Mir sind humorvolle Menschen sehr sympathisch. Ich fühle mich zu ihnen hin gezogen.
Danke, hab grad eine Sackgasse betreten und rechtzeitig gemerkt, dass es da Stau gibt. Ja mehr noch, Gott griff mit einer Mail ein, ehe ich ihn darum bitten konnte.
ER sah wohl von oben, dass ich festfahre.
Danke für diesen Impuls.
Margret Trojer
Vielen lieben Dank für den schönen und humorvollen Impuls. Es hilft ja nicht, in der Sackgasse zu verweilen - lieber spätestens dann auf Gott hören und sie vertrauensvoll lenken lassen.
Wunderschöner Text. Ganz lieben Dank dafür.
Ich musste schmunzeln, als ich den Text las, weil es mir immer öfter so geht, dass ich denke, ER schaut in genau der Situation herab, sieht mein Handeln. Sieht, wie ich mit manchen Situationen umgehe, zu kämpfen habe.
Hinterher muss ich dann schmunzeln und ER dann wohl auch
Vielen Dank für diesen wundervollen Text. Ich schmunzle noch...
Gerade dann, wenn man in einer Sackgasse steckt, ist es beruhigend zu wissen, dass wir nicht allein sind und Gott uns hilft, wieder zurück auf einen Weg zu finden.
Genauso ist es,Jesus ist immer an meiner Seite und trägt durch Höhen und Tiefen hindurch❤️❤️❤️
Eine sehr ansprechende Erzählung! Vielen Dank!
Wie beruhigend, zu wissen, dass unser himmlischer Vater nicht nur wunderbar aus Sackgassen rettet, sondern dass er auch in unsere Herzen sieht... (das, was unsere Mitmenschen vielleicht nicht mitbekommen): wie wir es gemeint haben/hatten!