Montag, 24.03.2025

Von Dotty lernen

Meine Freundin und ihre Mischlingshündin Dotty sind ein eingeschworenes Team. Beide tragen vorzugsweise braune Farbtöne. Beide „dackeln“ fast im selben Wiegeschritt den Gassiweg entlang, und wen Frauchen mag, den mag Dotty auch. 

Neulich erzählt Frauchen mir: „Gestern hat es ja so was von doll geregnet. Da schickt man ja keinen Hund vor die Tür.“ Dabei lacht sie herzlich auf. „Aber Dotty und ich mussten ja mindestens eine kleine Runde drehen. Und weil ich noch ein paar Lebensmittel brauchte, wurde diese Runde leider auch noch größer. Als wir wieder nach Hause kamen, musste ich schmunzeln. Wir beide waren pitschepatschenass geworden. Ich legte meinen Mantel ab, spannte den Regenschirm zum Trocknen auf, stellte die nassen Schuhe vor den Heizkörper und trocknete meine Hände und das Gesicht ab. Und was macht Dotty? Sie schüttelt sich. Sie schüttelt sich so sehr, dass das Wasser und alles, was von diesem Tag in ihrem Fell steckt und nicht zu ihr gehört, weit von ihr fliegt. Und danach trottet sie zufrieden ins Wohnzimmer, wo sie sich behaglich vor der Heizung niederlässt. Völlig tiefenentspannt ist meine Dotty dann!“

Frauchen lacht und fügt nachdenklich hinzu: „Weißt du, Reinhard Mey hat doch mal gesungen: ,Es gibt Tage, da wünscht ich, ich wär mein Hund.‘ Wäre das nicht schön, wenn ich mich nur einmal kräftig schütteln müsste, und alles, was mich belastet, weil es mir in meinem ‚Seelenfell‘ hängt, fliegt weit von mir!? Ich muss schon sagen, da bin ich ein bisschen neidisch auf Dotty. Da wünschte ich wirklich, ich wäre sie.“ 

Diese Gedanken meiner Freundin gehen nun schon lange Zeit mit mir. Ja, es gibt viele Tage, da wünschte auch ich mir, ich wäre Dotty: einmal kräftig schütteln – alles weg! Das wäre genial. 

Wenn ich vom „Taggewese“ nach Hause komme, möchte ich nicht nur meine Schuhe und meine Jacke zur Seite legen, sondern auch Dinge, die nicht zu mir gehören. Lasten oder Schmutz oder was sich sonst in meiner Seele verfangen hat. Alles abschütteln und mein „Seelenfell“ reinigen. Raus damit! Aber das ist mitunter gar nicht so einfach.

Manche Situationen sind so schnell an mir vorbeigerauscht, dass ich am Abend noch gar nicht richtig klar mit ihnen bin. Anderes war schlichtweg nur anstrengend oder traurig und lässt meine Gefühlswelt noch nicht zur Ruhe kommen. 

Einiges ist zuweilen wirklich „zum aus der Haut fahren“ oder „zum Haare Raufen“ ärgerlich gewesen. 

Und des Öfteren fühlt sich meine Seele an, als sei sie eine Pinnwand, auf der alle möglichen Leute ihre Ansprüche und Wünsche an mich rangepikst haben. Auch dann habe ich das Gefühl, es wie Dotty tun zu müssen, die sich gründlichst schüttelt, um wieder „im Reinen zu sein“ und „sich in ihrer Haut wohlzufühlen“.

Ich will mein Herz „ausschütteln“ oder besser gesagt: ausschütten.

Und ich habe eine Art des „Ausschüttelns“ gefunden, die mir persönlich guttut.

Es ist ein altes christliches Ritual: Ich spreche oft liturgische Taggebete, die mich einladen, zur Ruhe zu kommen. 

Ich lege also am Abend nicht nur meine Schlüssel an den richtigen Ort zurück und meine Tageskleidung ab, sondern ich lege auch den Tag mit allem Schönen und Schweren bewusst in Gottes Hände zurück.

Während ich sehr langsam die schlichten vorformulierten Sätze bete, lege ich in meinen Gedanken alles in sie hinein, was mir vom Tag her nicht nur in den Kleidern, sondern auch in meinem „Seelenfell“ steckt. Ich darf Gott alles, wirklich alles, anvertrauen und dadurch gelassener und leichter werden.

„Jesus, ich lege diesen Tag und alles, was er enthielt, in deine Hände zurück.
Nimm alles Gelungene und Schöne, alles Versäumte und Unfertige und birg es in deiner Liebe. 
Bezahle du die Schulden, die ich heute bei dir und meinen Mitmenschen gemacht habe.

Lass mich in dieser Nacht unter dem Schatten deiner Flügel geborgen sein.“
Te Deum – Das Stundengebet im Alltag

Und dann lege ich noch eines hinzu: meinen Dank! Weil ich bei meinem Gott die sein kann, die ich bin, und weil er der Hüter meiner Seele sein möchte.

Er wartet nur darauf, dass ich mich ihm öffne und anvertraue.

Christine Schlagner

"Danke" an die Autorin

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13 Antworten

  1. Eine tolle, erheiternde Geschichte mit gutem Bezug zum Glauben.
    Ich stimme auch gerne in vorformulierte Gebete ein, die oft viel mehr beinhalten , als mir in dem Moment einfällt.

  2. Sehr lebendig, berührend und hilfreich! Herzlichen Dank dafür! Ich bin auch Abonnentin des „Te Deum“ und habe schon viele wertvolle Impulse empfangen. Obwohl ich gern frei bete, nutze ich auch manchmal den Reichtum vorformulierter Gebete, einen Gebets-Schatz.

  3. Das ist eine sehr schöne Geschichte.Was so alles im " Seelenfell" hängt und Gott hingelegt werden darf.
    Ich trage grade sehr schwer an einem Sterbefall.Mein lieber Mann hat mich für immer verlassen.
    Da ist der Hinweis auf das Gebet wunderbar
    Vielen Dank

  4. Vielen lieben Dank für diese wunderbare Geschichte und das Gebet.
    Es gibt ja Situationen, wo uns die Worte zum Beten fehlen und da sind solche Gebete eine große Hilfe. Auch das EKG bietet uns einige Hilfen.
    Ich leide oft unter Einschlafschwierigkeiten (schmerzbedingt). Da sind solche Erinnerungen, wie wir uns selbst helfen können, immer willkommen. DANKESCHÖN!

  5. VIELEN HERZLICHEN DANK für diese mutmachenden Gedanken und das passende Bild dazu! Auch ich muss immer wieder mein Seelenfell ausschütteln. Da passt das Lied von Sefora Nelson "Lege deine Sorgen nieder" sehr gut dazu. Es begleitet mich durch viele Tage seit ich es zum ersten Mal gehört habe. DANKE!

  6. Liebe Waltraud, ich - und ich denke auch alle anderen - wünsche dir von Herzen Gottes tiefen Trost und Umfangen sein in seiner Liebe!

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