Heute fällt es mir schwer, im Gottesdienst zur Ruhe zu kommen. Ich lasse mich stören von all dem, was um mich herum passiert: Hinter mir rascheln einige ältere Damen mit den Papieren ihrer Bonbons. Ein Ehepaar tuschelt miteinander, in der Meinung, das wäre ganz leise. Immer wieder stehen Leute auf und gehen zur Toilette.
Außerdem kommen sogar zum zweiten Gottesdienst, der ja erst um 11 Uhr anfängt, noch Besucher zu spät. Und zu guter Letzt muss ich mehrmals meinen Platz verlassen, um die Eingangstür zu schließen, die beim Hereinkommen einfach offengelassen wurde.
Ich beginne, mich nicht nur über meine Mitchristen, sondern auch über mich selbst zu ärgern, weil es mir heute gar nicht gelingt, diese Störfaktoren zu ignorieren. Gleichzeitig schäme ich mich, dass ich so unbarmherzig mit meinen Schwestern und Brüdern im Glauben bin und sie so schwer annehmen kann.
Dann beginnt die Predigt. Es geht um die Berufung der zwölf Apostel. Mir fällt auf, dass ich mir bisher noch nie Gedanken darüber gemacht habe, wie wohl das Miteinander in diesen drei Jahren des Unterwegsseins mit Jesus war. Was waren auch da für verschiedene Charaktere zusammen: der oft so impulsive Petrus; die cholerischen Brüder Johannes und Jakobus; Judas, dem man auf die Finger schauen musste, weil er ein Dieb war, und noch so manche andere. Einfache Fischer, Zöllner, Soldaten und wohl noch andere Berufe trafen aufeinander. Da war ganz sicher auch nicht immer „Friede, Freude, Eierkuchen“.
Aber sie waren mit Jesus unterwegs. Mit diesem Jesus, der sagte: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lukas 6,36). Mit Jesus, der ihnen Barmherzigkeit vorlebte, ja selbst die Barmherzigkeit in Person war. Genau das wollen wir doch auch in unserer Gemeinde: mit diesem Jesus unterwegs sein.
Und Jesus ist der, zu dem ich kommen darf, wenn ich schuldig werde, auch wenn ich, so wie heute, an meinen Mitchristen schuldig werde. Er ist barmherzig mit mir und von ihm darf ich mir immer wieder Barmherzigkeit, Liebe und Geduld für andere schenken lassen. Glücklicherweise muss ich das nicht selbst produzieren oder mich einfach mehr anstrengen. Nein, er, Jesus hat alles, was wir für unser Miteinander brauchen, für uns bereit und will es uns gerne geben.
Ich freue mich auf den nächsten Gottesdienst mit meinen Brüdern und Schwestern in Christus.
Elisabeth Malessa
4 Antworten
Wie schön jeden Tag müssen wir Barmherzigkeit lernen selbst in den großen Stürmen unseres Lebens . Menschen die uns verletzt haben immer wieder friedlich zu begegnen,wohl eines der schwersten Prüfungen.Danke für diesen Beitrag.
Oh ja wir müssen jeden Tag Barmherzigkeit lernen und dürfen seine Barmherzigkeit täglich dankend annehmen. Danke für den Beitrag.
Eine ehrliche und zugleich erfrischend-mutmachende Perspektive, wie es täglich gelingen kann, die Jahreslosung zu leben: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!"
Vielen Dank!
Vielleicht kann man versuchen pünktlich zum Gottesdienst zu kommen und die Türe auch wieder zu schließen. Eben mit Rücksicht auf die Geschwister.