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Montag, 15.11.2021

Dort oben leuchten die Sterne

Mit einer großen Therapiehandpuppe besuche ich die Bewohner in der Seniorenpflegeeinrichtung. Lukas Willi wird oft schon mit freudigem „Hallo“ begrüßt. Man mag sein Erzählen. Mancher gibt ihm gute Ratschläge, andere korrigieren seine Aussprache, wieder andere lieben es, einfach nur von ihm gestreichelt zu werden oder mit ihm Lieder zu singen. Die meisten Bewohner nehmen von mir hinter der Puppe kaum noch Notiz. Sie unterhalten sich ausschließlich mit Lukas Willi und haben Spaß mit ihm.
Heute geht er zu einer Dame, die ihn besonders gerne mag. Sie ist seit langer Zeit bettlägerig. Immer, wenn er kommt, stellt sie den Fernseher aus und fragt ihn: „Na, Lukas Willi! Was gibt es Neues?“
Der Knirps setzt sich zu ihr aufs Bett und sprudelt vor Begeisterung. Er war gestern mit den Kita-Kindern beim Laternenumzug: „Du, im Dunkeln, da sieht alles so ganz anders aus – voll duster! Aber meine Laterne hat voll schön geleuchtet. Weißt du, ich hab eine kleine Glühbirne in meiner Laterne drin, die kann man anknipsen.“ Die Bewohnerin nickt: „Ach, so geht das heute!“ „Und dann haben wir gesungen: ,Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne ... Dort oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir.` Und weißt du was? Am Himmel waren auch wirklich alle Sterne angeknipst und voll am Leuchten!“
Die Dame hat dem munteren Bericht aufmerksam zugehört und muss herzlich lachen: 
„Ja, das ist gut, dass die Sterne da oben keiner ausschalten kann! Das wäre ja noch schöner!“
Sie überlegt: „Aber wenn das ginge, dann hätten sich bestimmt schon welche die größten und schönsten Sterne weggenommen!“ „Nee!“, entgegnet der Knirps im Brustton der Überzeugung. „Die Sterne sind da oben fest am Himmel dran, die kann keiner wegklauen!“ Seine Gesprächspartnerin nickt. „Ja, das ist gut so, dass die Sterne für alle da sind!“ Dann fügt sie schwärmerisch und sehnsuchtsvoll hinzu: „Und sie sind wunderschön!“
Wie recht sie hat, denke ich, als ich meinen Dienst beende und Lukas Willi wieder auf sein Regal setze. Wie gut, dass den Menschen Grenzen gesetzt sind. Sonst würde fleißig um die Sterne gerangelt und gekämpft, und die schönsten wären schon lange abmontiert!
Doch so sind und bleiben die Gestirne für uns Menschen immer wieder ein Grund zum Staunen, zum Forschen, zum Genießen und zum Danken. Gut so!
Still werden.
Staunen.
Weite spüren.
Vor der Erhabenheit und dem Glück, diesen Moment erleben zu dürfen, respektvoll erschauern.
Vielleicht auch dem Schöpfer danken.
Mond und Sterne sind für jeden angeknipst! Niemand kann sie wegklauen. Und wenn wir das Glück haben, sie betrachten zu können, dann ist das oft wie das Überrascht-Werden-Weihnachtsgefühl: prickelig, freudig, spannend! Gönnen wir uns mal wieder das Glück, die Gestirne zu betrachten, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet!
„Ich bestaune den Himmel, das Werk deiner Hände, den Mond und alle die Sterne, die du geschaffen hast: Wie klein ist da der Mensch, wie gering und unbedeutend! Und doch gibst du dich mit ihm ab und kümmerst dich um ihn“ (Psalm 8,4–5).

Christine Schlagner 

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6 Antworten

  1. Ja, da ist viel Wahres dran, die größten und schönsten Sterne würden unter wenigen verteilt, gehortet, gehandelt und vererbt. Wie wunderbar, dass es den offenen Himmel gibt! Wie wunderbar, dass mich diese Geschichte anregt dorthin zu schauen, wo mehr ist als das was grad um mich herum passiert. Tausend Dank dafür.

  2. Herzlichen Dank für den liebevollen und wertvollen Einsatz mit Lukas Willi in der Senioreneinrichtung.
    Einfach toll, wie die Bewohner sich dieser Therapiepuppe nähern und sie ernst nehmen und sich mit ihnen in eine ganz neue „Welt“ begeben. Danke auch für die Gedanken über die Sterne und den wunderschönen passenden Bibelvers dazu…

  3. Ich bin ursprünglich Erzieherin und habe mit Puppen,Tieren ect.auch viele Jahre im Kindergottesdienst gearbeitet. Nach einer Schulung, die der Hersteller der Therapiepuppen anbietet, habe ich mich respektvoll an die Bewohner der Einrichtung herangetastet. Ich war zunächst skeptisch, ob die älteren Herrschaften sich nicht 'vereimert' vorkommen. Fand aber meinen Weg wie ich mit der Puppe spielen kann, ohne dass es als Verulkung rüberkommt. Wenn ich Bewohner besuche ist es ein Mix aus Enkelkindbesuch und 'Spässeken' und für einige Personen ein echter Aufheller. Ich denke mir im Vorfeld etwas aus, was Lukas Willi bewegt- wie im Text erzählt- und spiele das erzählen, fragenden, zuhören und staunenden Kind, das ich wahrscheinlich immer noch bin. 🙂

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