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Montag, 21.03.2022

Auf der Flucht

Es ist der 11. März 2022. Schon am Morgen scheint die Sonne und der Himmel ist wie blank geputzt. Keine Wolke zu sehen. Der perfekte Vorfrühlingstag. Das Thermometer zeigt vier Grad.
Ich mache mich auf den Weg zu meiner pflegebedürftigen Mutter. Mit dem Auto fahre ich bis zum fünf Kilometer entfernten Bahnhof und steige um in die Regionalbahn. In Dresden dann ein kurzer Aufenthalt, und weiter geht es mit der S-Bahn. Alles unaufgeregt. Normalerweise.
Beim Zwischenstopp in Dresden ist die Bahnhofshalle voller Menschen. Mein erster Gedanke ist, ob noch Ferien sind. Ich nehme Frauen und Kinder wahr, die mit Koffern und Taschen, Beuteln und Rucksäcken bepackt sind. Sie sind auf keiner Urlaubsreise, das wird mir rasch klar. In mir macht sich eine tiefe Traurigkeit breit.
Bis jetzt habe ich diese Frauen und Kinder aus der Ukraine nur in Bildern im Fernsehen gesehen. Nun stehe ich ihnen gegenüber. Ich bin fassungslos. Der Krieg, der weit weg scheint, holt mich heute Morgen hier ein. Ich fühle mich hilflos. Was haben diese Frauen und Kinder wohl erlebt, was haben sie durchgemacht? Sie haben alles losgelassen, um ihr Leben in Sicherheit zu bringen.
In mir beginnt es zu beten: „Herr, was möchtest du? Ich habe nicht viel Zeit, und es sind so viele bedürftige Menschen.“ Ich spüre meinen Puls, meine Aufregung. Dann laufe ich langsam durch die Menschenmenge und bete leise in meinem Herzen für diese Frauen und Kinder. Ich gehe auf und ab durch die Bahnhofshalle, bete und segne still diese geflüchteten Menschen. Ich spüre, wie Jesu Frieden da ist. Ob sie ihn auch empfinden? Ich darf sie der Liebe Jesu und seinem Erbarmen anbefehlen.
In wenigen Minuten fährt mein Zug. Als ich die Treppen zum Bahnsteig hochlaufe, überlege ich, was ich wohl mitnehmen würde, wenn es hieße, die Heimat zu verlassen.
Ein letztes Mal drehe ich mich um und befehle die Frauen und Kinder Jesus an. Mögen sie einen Ort finden, an dem sie willkommen sind, Geborgenheit und Ruhe erfahren. Mögen sie in ihrer Not einen Halt bei Gott finden – und Menschen, die sie begleiten. Mir fallen die Worte aus den Seligpreisungen ein: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“ (Matthäus 5,4). „Ja, Herr“, bete ich, „sei du selbst ihr Trost!“
Mein Zug kommt, und ich setze meine Fahrt fort, in Gedanken und Gebeten bei den Menschen, die eine Bleibe suchen.

"Danke" an die Autorin

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7 Antworten

  1. Vielen Dank, Frau Barthel, für Ihre Montagsgedanken !
    "Sich hilflos fühlen", so habe ich es auch empfunden und diesen Satz auch von verschiedenen Bekannten und Freunden schon gehört. Es ist gut, wenn wir uns nicht lähmen lassen von diesem Gedanken. Noch schlimmer wäre, wegschauen und zur Tagesordnung übergehen.
    Nein, ich möchte hinschauen und darüber nachdenken, was ich tun kann.
    Es ist vielleicht nicht viel, aber wenn jeder einzelne seinen Teil dazugibt, kann etwas bewegt werden. Seien es Spenden in Form von Lebensmitteln, Kleidung und Geld. Oder Solidarität zeigen auf Friedensveranstaltungen. In Gedanken und mit Gebet und Fürbitte teilhaben an der Not meiner Mitmenschen. Mit offenen Augen und Händen, mit offenen Herzen und Türen füreinander da sein.

  2. Danke für diesen Beitrag. Mir geht es ähnlich. Was kann ich tun? Abgesehen von Spenden natürlich. Ich nehme mir jetzt morgens eine Zeit der Anbetung für die Ukraine. Jedes Mal spüre ich die Gegenwart Gottes. Ich glaube dass all diese Gebete gesammelt werden wie auch die Tränen der Ukraine. Aber ich bitte auch für das russische Volk. Gebet ist eine starke Waffe.

  3. Danke für den Beitrag, der auch mir aus dem Herzen spricht. Hilflos fühle auch ich mich und bete für die Flüchtlinge, die Opfer auf beiden Seiten und bitte Gott auch um Weisheit für die Verantwortlichen.

  4. Mir geht es auch so, ich möchte sooo gerne etwas tun, anpacken, nicht nur hinsehen. Doch ich bin nicht mehr jung. Die Hände kann ich aber falten und auch noch meine Knie beugen.
    Das Gebet hat so eine starke Wirkung und Macht.
    Matthäus 21, 22

  5. Danke für diesen Beitrag
    Ja Beten ist eine starke Waffe. Das kann JEDER . Wichtig dabei finde ich ist, dass auch für die Verantwortlichen dieses Krieges gebetet wird. Lasst die Waffen schweigen und versucht doch eine Lösung zu finden. Es gibt eine Aussage:
    Stell Dir vor es ist KRIEG UND NIEMAND GEHT HIN.
    Christen dieser Welt BETET ohne Unterlass!!!

  6. Danke für diesen Beitrag und es geht mir genauso. Man kann nie aufhören mit Gebete zum Herrn abzugeben. Angefangen hat es mit COVID-19.....jetzt mit Krieg zwischen Russland und Ukraine... ich denke immer wieder im Gebete an diese Flüchtlinge aus der Ukraine....und höre nicht auf zu beten....

  7. Danke für Ihre lieben Zeilen. Ich bin jeden Tag, wenn ich von meiner Arbeit komme, auf dem Dresdner Hauptbahnhof, um mit dem Zug nach Hause zu fahren. Mich hat es sehr berührt, als ich die ersten Informationsschilder auf Ukrainisch sah.

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