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Montag, 08.04.2019

Das lächelnde Spiegelbild

Ein anstrengender Tag liegt hinter mir. Ich trage meine drei Monate alte, von Koliken geplagte Tochter durch unsere Wohnung. Gefühlte zwanzig Kilometer weit wandere ich die Wohnräume auf und ab. Vor dem Spiegel, der unsere Wohnzimmertür ziert, mache ich Halt. „Schau mal“, sage ich leise zu meiner Tochter, „was für ein hübsches Mädchen dort drin ist. Siehst du es?“
Mit ihren dunklen Kulleraugen staunt meine Tochter das kleine Mädchen im Spiegel an und beginnt zu lächeln. Das Spiegelbild lächelt zurück und mein Mädchen strahlt nun mit sich selbst um die Wette. Fasziniert und berührt von diesem Augenblick bleibe ich stehen und schaue meiner Tochter und ihrem lächelnden Spiegelbild zu.
„Schau mal“, flüstert mir eine vertraute zärtliche Stimme liebevoll zu, „was für eine hübsche Frau dort drin ist. Siehst du sie?“ Instinktiv will ich mein Gesicht zur Seite drehen, doch etwas hindert mich daran. Ich schaue hin, lächle die Frau im Spiegel etwas verlegen an, und sie lächelt zurück. Nachdenklich halte ich einen Moment inne.
Wann habe ich mich das letzte Mal offen und freundlich im Spiegel betrachtet, mir selbst tief in die Augen geschaut, mir zugelächelt und das, was ich dort im Spiegel sah, als gut befunden? Neige ich nicht eher dazu, stirnrunzelnd auf meine zunehmenden Veränderungen zu starren? Die grauen Strähnen, die silbrig glänzend mein dunkelbraunes Haar melieren; die kleinen und größeren Falten, die vom Leben, Lieben, Lachen und Weinen erzählen und meinem Gesicht eine neue Struktur verleihen. All das veranlasst mich dazu, mein Spiegelbild kritisch zu betrachten. Und mein Spiegelbild wirft dieses Bild schonungslos zurück.
„Du bist schön, ganz wunderschön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir“ (Hohelied 4,7). Während Jesus mir diese Worte zuflüstert, beginnt mein Spiegelbild zu strahlen. Wie wohltuend und befreiend dieser Anblick ist! Zuerst etwas zaghaft, dann mutiger und überzeugter strahle ich mich im Spiegel an. Und er wirft das strahlende Spiegelbild fröhlich zurück.
Erfüllt von großer Dankbarkeit und Freude über meinen Schöpfer, über mich selbst, über mein Frausein, mein Gesicht, mein Leben, beginne ich leise ein Lied zu summen, das in Anlehnung an die Bibelstelle in Jesaja 61,3 geschrieben wurde: „Er gab mir Schönheit statt Asche und Freudenöl statt Trauer. Er gab Lobgesang für einen betrübten Geist, so sind wir Bäume der Gerechtigkeit, die Pflanzung unsres Herrn, dass er verherrlicht wird!“
Mit leichten Schritten und frohen Herzens setze ich meine Wanderschaft durch unsere Wohnung fort. Auf meinen Armen liegt meine inzwischen schlummernde Tochter und ich drücke sie liebevoll an mich. Es scheint mir, als haben meine Füße und mein Herz an Leichtigkeit gewonnen. Jesus ist mir heute vor unserem Spiegel begegnet. Und das Lächeln, das diese Begegnung auf mein Gesicht gemalt hat, begleitet mich nun an jedem neuen Tag.

Jrene Bircher

"Danke" an die Autorin

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4 Antworten

  1. Danke für diesen wunderbaren Text! Ja, ein Blick durch die liebevollen Augen unseres Schöpfers schenkt uns eine völlig andere Sicht der Dinge. Für Gott sind wir wertvoll und wunderschön!

  2. Auf Irene Birchers Impuls hin bin ich ins Badezimmer, habe in den Spiegel geschaut - und oh Wunder- gelächelt!
    (Bin 74)

  3. Um auch solch eine wunderbare "Belohnung" wie Irene Bircher zu bekommen, lohnt sich auf jeden Fall mal öfter ein Blick in den Spiegel, als nur zum Frisieren!
    Vielen Dank für diesen Impuls!
    Ich wünsche vor allem für ihre Tochter gute Besserung.

  4. Ein bisschen habe ich geweint, als ich das für mich in Anspruch genommen habe, dass Gott mir das zusagt. Ich habe mir das auch zugesagt von Gott mehrmals, weil es gut tut. So viele kritische Gedanken hatte ich im Moment, auch weil mir die Liebe von Menschen, speziell von meinem Lieblingsmenschen, meinem Freund, gerade fehlt. Und ich habe darüber viele Gedanken, was ich dazu alles beigetragen habe.
    Ich habe für Liebe gebetet diese Woche. Gestern habe ich meinen Anspruch, meine Forderung an meinen Freund, meine Sehnsucht nach seiner Liebe losgelassen, und stattdessen Gott im Gebet vor dem Schlafen meine Liebessehnsucht hingehalten. Ich habe Energie heute und habe gut geschlafen. Erstaunlicherweise habe ich gestern und heute mit meinen Arbeitskollegen gut gesprochen, was ich auch mal als Antwort auf meine Gebete deute.

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