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Montag, 08.07.2019

Atmen

Aufgrund von Krankheit arbeite ich seit über einem Jahr nicht mehr. Immer wieder fragen mich Menschen, was ich denn arbeite. So nach dem Motto: „Wer bist du? Wie heißt du und was machst du?“ Meine Antwort lautete dann: „Nichts.“ Das sorgte für Irritierung. Der Mensch muss doch etwas tun! Natürlich tue auch ich etwas, aber ich gehe eben keinem Beruf nach. Meine Gesprächspartner wollten dann in der Regel wissen, was ich stattdessen tue. Häufig antwortete ich mit einer kleinen Aufzählung, wie ich meine Tage gestalte. Mein Unterton war dabei leicht resigniert und entschuldigend: „Ich mache nichts Produktives, gehe zwar schwimmen, einkaufen und kann meine Zeit gut nutzen, aber es ist keine Zeit, die etwas bringt – zumindest nicht, wenn man an Geld, Anerkennung oder Karriere denkt.“
Innerlich spürte ich einen Stich: „Du machst nichts, also bist du nicht wichtig.“ Treibt man es auf die Spitze, kann man zu dem Schluss kommen: „Dein Leben ist nichts wert. Es ist sinnlos.“ Denn wenn ich nicht mehr zur Arbeit gehe, die doch meinen Tag ausfüllte, wo ich Anerkennung erfuhr, Menschen um mich hatte und meine Gaben einbringen konnte, wer bin ich dann noch?
Jetzt bin ich auf die Frage, was ich tue, zu einer anderen Antwort gelangt, die zunächst wirklich sinnlos erscheint. Jetzt sage ich: „Atmen.“ Was ich tue? Ich atme. Aber tut das nicht jeder? Ja und nein. Ja, jeder atmet. Nur weil ein Rentner in den Ruhestand tritt und im Garten tätig wird, hört sein Dasein nicht auf und er verliert als Person nicht an Wert. Und wenn jemand aufgrund von Krankheit auf einmal viel Freiraum hat, ist das genauso. Und: Nein, nicht jeder atmet. Viele „hecheln“. Sie leben mit der Angst vor dem Scheitern. Sie hecheln nach Anerkennung, Prestige und Liebe. Und obwohl sie viel tun, tun sie doch nicht das Wichtigste: atmen.
Atmen bedeutet Leben. In der Bibel steht: „Da formte Gott, der Herr, aus der Erde den Menschen und blies ihm den Atem des Lebens in die Nase. So wurde der Mensch lebendig“ (1. Mose 2,7).
Ich möchte leben. Sinnvoll leben. Mit allen Sinnen genießen, anstatt dem Leben hinterherzurennen, sodass mein Atmen in ein angestrengtes Schnaufen und Hecheln übergeht. Was ich atme? Die beste Luft! Mich umgibt die Glaube-Hoffnung-Liebe-Luft. Ich atme tief ein. Ich atme tief aus. Diese Luft für meine Seele hat Gott mir eingehaucht. Nur diese Luft schenkt Leben. Und nur in der Beziehung zu ihm geht es meiner Seele gut.
Ich tue das Wichtigste, das den Menschen am Leben erhält. Es ist nicht die Leistung im Alltag oder Beruf, sondern das Atmen bedingungsloser Liebe. Diese Liebe kann ich nicht bezahlen, egal, wie hart ich arbeite. Aber ich kann sie atmen.

Antje Schering

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11 Antworten

  1. Sehr gute Worte!Ich kann nach langer Krankheit auch noch nicht voll arbeiten.Und werde von vielen komisch angesehen.Und immer wieder die Fragen,und Aufzählungen was ich doch alles trotz meiner vielen ops arbeiten könnte.Ohne das die Leute wissen wollen,das mich Haushalt,Familie und die Menschen die Gott mir schickt,sowie Krankengymnastik usw.schon genug Kraft kosten.
    Die Kraft sich gegen diese Ratschläge zu wehren,und sich nicht selbst zu verurteilen,weil man noch nicht kann,hab ich oft nicht.
    Deshalb herzlichen Dank für den Bericht!Sabine Kramer

  2. Sie haben mit Ihrem Beitrag vom Atmen wunderbar das Wichtigste ausgesprochen, was es gibt. Wer s o atmet hat gefunden, was der Mensch für ein sinnvolles Leben braucht.

  3. Vielen Dank für diesen nachdenkenswerten Beitrag. Mir ging es ebenso, als ich mit meinen Kindern zu Hause blieb.
    Und besonders in der Gemeinde spüre ich dieses Hecheln nach anrechenbarer Leistung, Zahlen und Erfolgen. Das macht mich oft richtig traurig.
    Dem das Atmen entgegen zu setzen ist so befreiend und wohltuend.
    Ich bin sehr froh über diesen Gedanken!

  4. Das ist großartig. Endlich fühle ich mich verstanden und höre auch einmal, dass es anderen genauso geht. Nicht nur, dass ich selbst damit zu kämpfen hatte, weil ich krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten kann, sondern das ständige Fragen: "Und, was machst Du so den ganzen Tag?" Hinzu kommen dann sogenannte "gute" Ratschläge. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gelernt habe, dass mein Wert nicht von meinem Tun abhängt und ich deswegen auch nicht faul bin. Und das tut richtig gut. Danke für diesen Beitrag. Mehr davon.

  5. So wahr! Und so wichtig, dies in unserer Zeit zu sagen, wo scheinbar nur ein guter und gutbezahlter Job zählt, oft leider auch in christlichen Kreisen. Wie wichtig ist es doch zu wissen, dass unser Wert nicht von unserer Arbeit abhängt. Sie sprechen mir aus dem Herzen!

  6. Danke für den wunderbaren Artikel der wie für mich geschrieben ist. Kenne die beschriebene Situation als EU-Rentner (53 Jahre)
    nur zu gut und habe oft mit den "gut gemeinten Rat" zu kämpfen.
    Schön wenn man glauben kann : Gott sagt du bist wertvoll in meinen Augen!

  7. Der mich atmen lässt bist du lebendiger Gott
    Ein sehr schönes Lied

    Als Angehörige von Kranken ist es auch schwer , wenn es ewig dauert, bis mal Besserung eintritt.

    Ich habe mich gerade diese Woche ertappt wie ungeduldig ich mich auch verhalte.

    Danke, dieser Text hat mich wieder wachgerüttelt.
    Unser Gottesdienst beginnt am Montag habe ich am Sonntag in der Predigt gehört.
    Wie wahr !!!!

    Gottes Segen und Atem weiterhin

  8. Ein wirklich sehr guter Text:) . Hat mich tief berührt und beschäftigt mich seit ich ihn Anfang der Woche gelesen habe. Ich bin seit ca. 17 Jahren Nur-Hausfrau und Mutter dreier mittlerweile fast erwachsener Kinder. Ich habe auch krankheitsbedingt aufgehört, könnte jetzt vielleicht wieder arbeiten, mir fehlt aber der Mut das anzupacken. Manchmal geht es mir nicht so gut und ich bin froh, wenn ich den Alltag schaffe. Natürlich habe ich schon viele Ratschläge bekommen, und prinzipiell sind diese bestimmt gut gemeint. Leider kommen sie bei mr nicht so an: Ich fühle mich meistens unsicher und bin traurig, dass ich nicht so viel schaffe, d. h. Beruf und Haushalt unter einen Hut kriege... Daher tun diese Zeilen so gut. Ich weiß ja, ich bin wertvoll und von Gott unendlich geliebt, egal ob mit oder ohne Job, einfach nur weil ich da bin.

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