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Offenbarung in Gelb

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Noch ein Tag, den ich nicht herbeisehnte. An dem ich mich elend und unsicher fühlte. In den letzten Jahren hatte ich gesundheitlich und beruflich ziemlich gelitten und meine selbstbewusste, zuversichtliche Art war regelrecht versiegt.

Die Anforderungen des Lebens kamen mir furchtbar anstrengend und nicht zu bewältigen vor. Ich fühlte mich zerbrechlich, schwach, zutiefst verunsichert und unfähig, den Alltag anzugehen – geschweige denn, irgendwelche Probleme zu meistern. Da sah ich im Garten in der Morgendämmerung zwischen den Zweigen unseres Baumes etwas sehr, sehr Gelbes.

Ungeschützte Schönheit
Wie vor etwa einem Jahr. Damals hatte ich auch zum Fenster hinausgeschaut, als mir ein Vögelchen auffiel. Es war unmöglich, es zu übersehen, denn es war wunderschön gelb gefiedert, mit schwarz glänzendem Rücken. Diese Vogelart hatte ich hier in Paraguay nie zuvor gesehen.
Ich bewunderte es, aber ich machte mir Sorgen um dieses seltene, zarte Vögelchen. Wie sollte es mitten in der Großstadt überleben? Überall wimmelte es vor Gefahren. Unfähig, diesem kleinen Wesen beizustehen, bat ich Gott, es zu beschützen. Danach hielt ich noch oft nach dem Vögelchen Ausschau, aber es war nirgends mehr zu sehen.
Bis heute! Da war es wieder. Frisch und fröhlich sang es im Morgengrauen, spielte und flatterte heiter vor sich hin.
Wie viele schreckliche Stürme hatten in den letzten Monaten getobt, wie viele Katzen waren tagtäglich auf der Jagd gewesen, wie viele Insektengifte wurden täglich versprüht? Dieses Vögelchen schwebte ständig in Lebensgefahr. Dennoch lebte es an jenem Morgen, völlig unberührt von Wind und Zeit, von Gefahr und Leid, und genoss den Morgen.

Lebendige Erinnerung
Da wurde mir bewusst, was das bedeutete: Unser Gott kann auf dieses zerbrechliche Vöglein aufpassen! Sogar ein ganzes Jahr lang! Wer sagt, dass nur die stärksten, wehrhaftesten und aggressivsten Wesen in dieser Welt überleben? Auch zarte, wehrlose Tiere bleiben am Leben. Sie bleiben am Leben, weil Gott es so will, weil es ihm gefällt. Das war Gottes direkte Antwort auf meine Ängste. Seine kleine lebendige Offenbarung in Gelb.
Natürlich weiß ich theoretisch, dass Gott sich verlässlich unserer Zukunft annimmt. Aber ich konnte es an diesem Tag absolut nicht in meinem Herzen spüren. Wenn wir unsere Überzeugungen im Kopf haben, aber das Herz es dabei nicht schafft, ruhig und gelassen zu werden, dann ist das wenig wert. Und wie kann man gelassen bleiben, wenn man sich nicht belastbar genug fühlt, um in dieser stressigen, aufreibenden Welt zu bestehen?

Tiefe Geborgenheit
An diesem Tag merkte ich: Das brauche ich gar nicht! Gott passt auf mich auf. Gott beschützt mich. Gott schafft mir einen Weg und Freiraum zum Leben. Viele Dinge, die mir Sorgen machen, berühren mein Leben eigentlich nicht, weil Gott sie von mir fernhält.
Ich hatte das schon oft gehört. Aber Gott wusste, dass ich heute so niedergeschlagen war, dass ich eine sichtbare Stütze für meinen Glauben brauchte. Mein himmlischer Vater versteht es, die lautlosen Tränen meines Herzens abzuwischen und ein glückliches Lachen zu hinterlassen. Und er tröstet mich auf seine eigene, herzerwärmende Weise.
Unbewusst hatte ich meine Zukunftsaussichten an meiner eigenen Leistungsfähigkeit gemessen. Doch Gott hat mir ganz liebevoll gezeigt: Selbst wenn ich so zerbrechlich wie ein Vögelchen wäre, hätte ich dennoch nichts zu befürchten.

„Seht euch die Vögel an! Sie säen nichts, sie ernten nichts und sammeln auch keine Vorräte. Euer Vater im Himmel versorgt sie. Meint ihr nicht, dass ihr ihm viel wichtiger seid?“ (Matthäus 6,26)

Dieser Artikel erschien in LYDIA 4/2016.

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