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Die Sache mit den

guten Vorsätzen

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„Ab Morgen nehme ich ab!“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Jahreswechsel sind besonders beliebt, was das Thema Vorsätze betrifft. Wir wollen uns gesünder ernähren, mehr Sport treiben, nicht mehr so viel meckern, mit dem ständigen Online-Shopping aufhören, ordentlicher werden, mehr beten und unser Zeitmanagement optimieren. Leider verlaufen diese Vorsätze allzu oft im Sand. Doch ich bin überzeugt: Jede schlechte Angewohnheit lässt sich verändern!

Am liebsten würden wir alles auf einmal angehen: in allen Lebensbereichen beste Verhaltensweisen entwickeln, ohne jemals wieder in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Dennoch setzen wir die wenigsten Vorsätze langfristig um. Das alte Verhalten schleicht sich wieder ein und wir fühlen uns als Versager. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag. Mit zunehmendem Alter fragen wir uns vielleicht: „Wie kann es sein, dass ich bestimmte Verhaltensweisen einfach nicht in den Griff bekomme und immer wieder rückfällig werde?“

Was das Gehirn uns verrät

Um die Schwierigkeiten bei der Veränderung von Gewohnheiten zu verstehen, lohnt es sich, die Funktionsweise unseres Gehirns zu betrachten. Im Gehirn sitzen unser Bewusstsein und unser Unterbewusstsein. Viele auf uns einströmende Sinneseindrücke nehmen wir nicht einmal bewusst wahr. Die meisten unserer Handlungen kommen aus unserem Unterbewusstsein. Etwa 96 bis 98 Prozent von dem, was wir tun, tun wir intuitiv, ohne darüber nachzudenken. Das ist auch gut so, denn müsste sich unser Bewusstsein mit allen kleinen Entscheidungen befassen, wäre es völlig überfordert.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Fahrstunde? Einsteigen, anschnallen, Spiegel einstellen, Schlüssel in die Zündung, Kupplung drücken, Motor starten, Handbremse ziehen, Gang einlegen, Spiegelblick, auf die Straße schauen, Schulterblick, Kupplung langsam kommen lassen, gleichzeitig Gaspedal drücken und darauf achten, den Motor nicht abzuwürgen. Wie aufregend war das damals! Und wie anstrengend! Unser Bewusstsein musste die Entscheidungen für diese Abläufe schnell hintereinander treffen. Wer lange Auto fährt, erinnert sich vielleicht gar nicht mehr daran. Wie oft denken Sie jetzt noch beim Autofahren an die Abläufe? Manchmal wissen wir kaum, wie wir von A nach B gekommen sind. Zack, schon sind wir da. Weil uns unser Unterbewusstsein dorthin geführt hat. Natürlich brauchen wir unser Bewusstsein noch, um auf den Verkehr zu achten, aber die gewohnten Abläufe laufen nebenher.

Genauso funktioniert das mit anderen Gewohnheiten – mit guten wie mit schlechten. Erfahrungen, die wir gemacht haben, sitzen fest verankert in unserem Unterbewusstsein und lassen uns Dinge tun, die wir manchmal nicht einmal verstehen. Besonders prägend ist die Kleinkindphase; es beginnt jedoch schon im Mutterleib. Stellen Sie sich vor, eine junge Frau wird ungewollt schwanger. Sie wird von ihrem Freund verlassen und trägt ihr Kind ohne den Beistand eines Partners aus. Mit viel Angst und Unsicherheit. Diese Angst und Unsicherheit übertragen sich auf ihr ungeborenes Kind. Das Kind wird geboren, nehmen wir mal an, es ist ein Mädchen. Das Mädchen erfährt sehr früh, dass es keinen Vater hat. Sein Unterbewusstsein lernt: „Männer verlassen dich. Väter sind nicht für dich da.“ Die Mutter lernt andere Männer kennen, die nicht gut zu ihr sind und sie immer wieder verlassen. Vielleicht ist sogar Gewalt im Spiel. In das Unterbewusstsein des Mädchens brennen sich die Erfahrungen, die es in seiner Kindheit gemacht hat, ein. Wie wird dieses Mädchen als junge Frau wohl auf Männer reagieren? Wie leicht wird es ihm fallen, Gott als liebenden Vater zu erkennen?

Je intensiver und öfter wir bestimmte Erfahrungen in unserem Leben machen, umso stärker sind sie in unserem Unterbewusstsein verankert. Positiv wie negativ. Sie sind die Ursache vieler unserer Handlungen – und eben auch vieler schlechter Gewohnheiten.

Zusammenhänge erkennen

Ich bin mit viel Angst, Unsicherheit und Leistungsdruck groß geworden. Nach der Trennung meiner Eltern lebte ich für dreieinhalb Jahre bei meinem Vater. Es gab viel Streit, Drohungen und Ärger. Emotionaler Missbrauch, würde man das heute nennen. Aber es gab eine Zeit am Tag, da war die Welt für mich in Ordnung. Nachmittags, nachdem ich die Wohnung geputzt, die Hausaufgaben gemacht und das Abendessen vorbereitet hatte, schnappte ich mir eins meiner Lieblingsbücher, meistens Hanni und Nanni, setzte mich auf mein Bett, nahm mir etwas zu essen und las. Das war meine Pause, meine Auszeit, meine Ruhe. Da war meine Welt in Ordnung. Ich las und aß. Meine Stiefmutter wusste davon und sagte mir: „Das wird dir irgendwann mal zum Verhängnis, wenn du immer etwas isst, während du liest.“ Ich verstand das damals nicht. Schließlich war ich superschlank und hatte keine Probleme mit meinem Gewicht oder meinem Essverhalten.

Aber mit den Jahren entwickelte sich daraus eine Gewohnheit, von der ich nicht mehr lassen konnte. Wenn ich ein Buch las, musste ich sofort an Essen denken. Und holte mir meistens etwas. Viele Jahre und mehrere Kilos später erkannte ich dieses Verhalten. Ich war konditioniert. Lesen und Essen waren bei mir miteinander verknüpft. Bei jeder Diät kam dann der feste Vorsatz: „Beim Lesen wird nicht mehr gegessen!“ Und nach jeder Diät fiel ich wieder in die alte Verhaltensweise. Warum war das so schwer zu verändern?

Neue Gehirnstrukturen bauen

Meine Handlung kam aus dem Unterbewusstsein. Das Gehirn hatte es somit leicht, denn für Unterbewusstes benötigt es nur 20 Prozent Energie. Für das, was wir bewusst tun, braucht es 80 Prozent. Für alles, was die Routine übersteigt, muss das Gehirn neue Netzwerke anlegen, Botenstoffe, Rezeptoren, Signalkaskaden in Sekundenschnelle hochfahren und andere Körperfunktionen drosseln. Deshalb schaltet das Gehirn, so oft es kann, auf „Autopilot“ um. Autopilot bedeutet in diesem Fall, dem alten Verhalten nachzugeben. Gewohnheiten sind fest verwurzelt an ihrem Platz im Unterbewusstsein. In dem Moment, in dem wir aus diesen Mustern heraustreten wollen, wirkt es wie ein Magnet, um die alte Gewohnheit wieder an den gewohnten Platz zurückzubringen.

Allerdings haben Hirnforscher herausgefunden, dass festgefahrene Verhaltensweisen durch wiederkehrende neue Erfahrungen und Gedanken durchaus verändert werden können. Die Bibel bestätigt das: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“ (Römer 12,2).

Je öfter Sie die neue Verhaltensweise einüben, umso mehr beginnen im Unterbewusstsein die alten Erfahrungen zu wackeln und werden letztendlich durch die neuen Gewohnheiten ersetzt. Um nicht auf sich allein gestellt zu sein, ist es sinnvoll, sich bei so einem Prozess Unterstützung zu suchen. Das kann durch ein Coaching geschehen, in Einzelgesprächen, in einer Gruppe von Gleichgesinnten oder, falls es sich um ein Suchtverhalten handelt, in der Therapie. Solch eine Begleitung hilft, an der Sache dranzubleiben, schenkt neue Motivation und bietet die Gelegenheit, in einer gesunden Weise Rechenschaft abzulegen.

Emotionen zur Heilung nutzen

Es gibt noch einen weiteren Weg zur Veränderung: Wenn man die Ursache der Gefühle bzw. der Reaktion darauf erkennt und unter einer erhöhten Emotion eine neue Entscheidung trifft, ist das Unterbewusstsein „geöffnet“ und kann die neue Information speichern.

Kommen wir zum Beispiel der jungen Frau zurück. Wenn sie ihr Herz für Jesus öffnet, was oft unter erhöhten Emotionen geschieht, und in so einer Situation eine neue Entscheidung in Bezug auf Männer trifft, kann Heilung in ihrem Inneren geschehen. Wenn sie sich nun auf eine neue Beziehung einlässt und in dieser Partnerschaft gute, beständige Erfahrungen macht, können die alten Narben aufweichen und den guten Entwicklungen Platz machen. Aber es ist nötig, dass sie sich bewusst dafür entscheidet.

Das Wichtigste: Ehrlichkeit

Jede schlechte Angewohnheit kann verändert werden. Oft braucht man anfangs viel Disziplin, um beständig neue, gute Entscheidungen zu treffen. Aber mit der Zeit verändert sich das Unterbewusstsein, und dann wird es leichter. Der erste Schritt ist die Ehrlichkeit. Was habe ich für ein Problem? Welche schlechte Gewohnheit, welche Sucht will ich in den Griff bekommen? Es ist nicht sinnvoll, sich zu viel auf einmal vorzunehmen. Welche Verhaltensweise will ich zuerst verändern? Dann gilt es, mit kleinen Schritten zu beginnen und nicht zu früh aufzugeben, sondern dranzubleiben. Oft sind es drei Schritte vor und wieder zwei zurück. Das gilt es auszuhalten.

Wie gut, dass Jesus dabei helfen will! Mit ihm kann ich über alles sprechen: über mein Problem, meine Fortschritte und Rückschritte und über meine Hoffnung. Es ist wichtig, sich selbst nicht zu verurteilen, wenn es wieder nicht geklappt hat. Über allem steht die Gnade, die größer ist als Scham und Versagen. Gott ist treu, er gibt uns nicht auf, und deshalb brauchen wir das auch nicht zu tun.

Heike Malisic ist Mitherausgeberin der Programme „Lebe leichter“ und „Body, Spirit, Soul“. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder. Ein dosierter Nachtisch nach dem Mittagessen ist bei ihr eine feste Gewohnheit. Das Naschen nach dem Abendessen hat sie sich abgewöhnt. Mit wenigen Ausnahmen … Ihre Alternative: eine große Tasse Caro-Kaffee mit einem Schuss Milch. Dieser Artikel erschien in Lydia 1/2022.

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